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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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in meinem Leibe wie zerschmolzen Wachs. Zum Teufel, jetzt denkt sie auch noch in Lutherpsalmen!
    Frau Schick strafft sich und geht aufrechten Hauptes zum Bus. Die bescheidene Menge – Hildegard, ihr Ernst-Theodor, Bettina, Hermann und Martha – teilt sich, um ihr den Weg freizumachen. Seufzend öffnet sich die hydraulische Tür. Doch die Stufen sind zu hoch für Frau Schicks künstliche Hüftgelenke und einen triumphalen Abgang.
    »Señora!« Paolo streckt ihr mit dem Lächeln des Heilands aus dem Businneren die Hand entgegen. Wirklich eine Frechheit, mit diesem geklauten Gesicht herumzurennen. Aber irgendwie auch verdammt tröstlich, wenn einen sonst niemand mag und kennt, am wenigsten man selbst.

10.
    Ping. Die Anschnallzeichen verlöschen, Sitzgurte klacken, der Steigflug ist beendet. Nach einer Zwischenlandung in Madrid ist Nelly auf dem Weg nach Pamplona. Zunächst wird sie zwar in Bilbao im Baskenland landen, aber von dort aus geht es mit dem Mietwagen direkt in die Hauptstadt Navarras. Einen regulären Linienflug hat sie nicht mehr bekommen, und der Air Iberia macht es offensichtlich Spaß, Pauschal- und Last-Minute-Touristen in viel zu engen Maschinen in einem Süd-Nord-Zickzack durch die Lüfte zu jagen. Fliegen ist nicht mehr das, was es mal war, hat Nelly festgestellt, die in den letzten Jahren nicht geflogen ist. Gearbeitet hat sie ja am Boden, und ihr Weg zur Arbeit waren die fünf Meter zwischen Bett und Schreibtisch. Ihren Urlaub mit Becky hat sie meist auf Campingplätzen oder in beschaulichen Kurstädtchen verbracht.
    Für Flug- und Fernreisen und Ferien in Luxusclubs mit Schnullerdisco und Kinderbetreuung war Jörg zuständig. Dafür hat er sich bei den monatlichen Unterhaltszahlungen zurückgehalten. Doch Schwamm drüber, Nelly wollte deshalb nie vor Gericht gehen, sie war viel zu froh, Becky bei sich zu haben, und stolz darauf, ihre Tochter mehr oder weniger allein durchzubringen.
    Becky hat, was schöne Ferien betrifft, jedenfalls nichts verpasst und Nelly auch nicht. Eine Fahrt mit dem Eifelexpress ist ohnehin deutlich vergnüglicher als das hier. Man muss keine Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen, bei denen einem die Evian-Flasche entrissen und als potenzieller Flüssigsprengstoff entsorgt wird oder Marc-Jacob-Pumps auf Schuhbomben überprüft werden. Als ob in den Dingern irgendetwas außer ihren Füßen Platz hätte.
    Das einzig Angenehme an dem anstrengenden Vergnügen dieser Flugreise ist, dass ihre Gedanken nicht mehr ständig um Javier kreisen. Die zehrende Sehnsucht nimmt mit jedem zurückgelegten Flugkilometer ab.
    You always love me more, miles away , summt ein Madonna-Hit in Nellys Kopfhörern.
    Wie?
    You always have the biggest heart, when we are six thousand miles apart .
    Nein, nein, stimmt nicht! Sie liebt ihn doch nicht am meisten, wenn sie Meilen voneinander entfernt sind. Nelly zieht die Kopfhörer herunter. Das monotone Summen der Turbinen und deftiger Knoblauchgeruch holen sie ins Jetzt und Hier zurück.
    Ein munteres Grüppchen Basken im Sonntagsstaat – anscheinend eine Großfamilie inklusive Uroma und Enkelschar – packt seine Brotzeit aus. Schon werden frittierte Fleischbällchen, glasierte Garnelen und gegrillte Paprika auf Holzzahnstochern herumgereicht. Der Mann auf dem Gangplatz neben Nelly nimmt eine Serviette mit Chorizo-Scheibchen und Oliven entgegen. Seine lackschwarzen Brauen tanzen einen freudigen Fandango oder einen anderen spanischen Tanz mit komplizierter Schrittfolge. Er deutet mit einer mit Oliven und Fleischbällchen gefüllten Serviette auf Nelly. Dazu murmelt er etwas, das selbst Nelly nicht versteht. Baskisch ist für sie ein Buch mit sieben Siegeln.
    Sie will höflich ablehnen, aber die musikalischen Augenbrauen des Mannes schalten auf portugiesischen Fado um, Tristesse pur. Sie piekt ein Bällchen auf, und seine Brauen schwenken auf lustige Volkstänze um.
    » Muy bien« , beteuert sie. »Exzellente Tapas«, fügt sie nach kurzer Kostprobe hinzu.
    » No! Pinxtos.«
    Ah ja, das hat sie schon von Javier gelernt! In Navarra heißen Tapas nicht Tapas, sondern Pinxtos – nach den Pieksern, die drinstecken. Sie sind der Stolz der Basken, denn Gourmets aus aller Welt pilgern laut Javier nach Bilbao, um nach einem Besuch des Guggenheimmuseums in futuristisch möblierten Bars Pinxtos-Orgien zu feiern. So wie Nelly und er heute Abend in Pamplona. Ihr Herz macht einen Freudenhüpfer. Wahrscheinlich hat sie ihr kurzfristiges Gefühlstief von

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