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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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am Abend die ganze Gruppe und Frau Schick treffen, um die Festungsmauern und einige Kirchen zu besichtigen und gemeinsam in einer Bar, die mal wieder Schluckspecht Hemingway entdeckt hat, zu Abend zu essen und die Nacht im allerbesten Luxushotel der Stadt zu verbringen. Die Reise war schließlich sündhaft teuer, und irgendwo muss das Geld ja ausgegeben werden.
    Zum Ausgleich ist für den weiteren Verlauf der Tour eine Nacht in einem privaten Pilgerhospital mit Gemeinschaftswaschraum und Schlafsaal eingeplant. Was für eine Idee! Armut auf Probe. Fehlt nur noch eine Nacht unterm Sternenzelt als einzigartiges Kulturerlebnis und weil der Weg ja dem Verlauf der Milchstraße folgt.
    Frau Schick schnaubt missvergnügt durch die Nase. Nächte unterm freien Himmel hatte sie früher reichlich umsonst. Sie will gar nicht daran denken, nie mehr. Auch die Pilger des Mittelalters hätten dem Kampieren unter freiem Himmel eine anständige Bettruhe vorgezogen, hätte man sie je vor die Wahl gestellt. Aber Menschen sind nun einmal sentimentale Knallköppe und Touristen erst recht.
    Na gut, Hauptsache, sie wandert. Obwohl das hier noch immer nicht der einzige Jakobsweg ist. Erst hinter Pamplona treffen sich auf irgendeiner Brücke zwei Wegvarianten, um endlich als der eine wahre Camino francés, also als französischer Hauptweg, schnurstracks auf Santiago zuzusteuern. Das klingt alles ziemlich verwirrend, aber Herberger hat es ihr auf der Hinreise durch Frankreich mal auseinanderklamüsert. Das kann er gut, ihr Chauffeur mit Doktortitel.
    Wie war das noch? Statt Spanien als einer Nation gab es südlich der Pyrenäen im Mittelalter nur lauter klitzekleine Länder wie Navarra. Die diversen Könige Nordspaniens hatten kaum Untertanen und eine Heidenangst vor den Mauren, die zwei Drittel Spaniens besetzt hielten. Also haben die Zwergenkönige französische Siedler über die Pyrenäen und bis zur Westküste gelockt. Daher stammt auch der Name »französischer Weg«, obwohl man in Spanien ist. Pilger und Kreuzritter von überallher folgten. Viele glaubten an uralte Märchen von Heiligen, andere lockten versprochenes Pachtland oder Zunftrechte, und alles zusammen war im Namen des Herrn unter Einsatz des Lebens gegen die Heiden zu verteidigen.
    Tja, so viel anders war das in Preußen und Ostpreußen ja auch nicht gewesen, erst mit den Deutschordensrittern und später mit Lutheranern und verfolgten Hugenotten – lauter Schachspielereien im Namen Gottes.
    Frau Schick interessiert sich nicht für solch einen menschengemachten Gott, der ständig die Konfession wechselt und Blutspuren durch die Geschichte zieht. Das war nie ihrer. Ebenso wenig ein heiliger Jakobus, der zunächst als Lebender in Spanien missioniert haben soll, um dann – oh Wunder! – als Toter in einem Steinsarg erneut an der Küste vor Santiago angeschwemmt zu werden, um die ganze Iberische Halbinsel für die frohe Botschaft christlicher Nächstenliebe zu gewinnen und sie am Ende von Mauren und Juden zu befreien. Mit dem Schwert und den Feuern der Inquisition. Ist doch gruselig.
    Immerhin war dieser Jakobszirkus so überzeugend, dass man in Frankreich dann auch noch Gebeine des Jakobus entdeckt hat. Die gelten aber als gefälscht, weshalb sein spanischer Zwillingsbruder schon im Mittelalter der »einzig wahre Jakob« hieß.
    Frau Schick schüttelt seufzend den Kopf. Es ist doch immer das Gleiche! Irgendwer behauptet zu wissen, was Gott will, und tausend Schafe glauben es nur allzu gern, weil die Welt voll Mühsal, Leid und Plagen ist. Der Hitler hat damals noch eins draufgesetzt und sich gleich selbst zum Gott verklärt. Schafe hat der auch genug gefunden und Schlächter mit glanzbeseelten Augen. Widerlich.
    Darum hat Frau Schick dem dozierenden Herberger auch nicht weiter zugehört und ist eingenickt.
    Jedenfalls scheint es so, als gäbe es überall in Europa ein Stück Jakobsweg, weil im Mittelalter alle Welt nach Santiago wollte, um sich mehrere Tausend Jahre Fegefeuer zu ersparen. Als ob die Welt nicht selbst Hölle genug und des Teufels Rummelplatz wäre!
    Ans Fegefeuer glaubt Frau Schick nicht. Es hat ihr als Kind auch keiner damit gedroht, da kann man dem Luther schon dankbar sein. Na ja, egal, wie viel Jakobswege es warum genau gibt. Hauptsache, sie kann laufen, bis … Wie hieß das nächste heilige Kuhdorf noch? Es hatte wieder einmal zwei Namen; einer klang wie Spinat und der andere wie eine ihr unbekannte Beerensorte, nur lustiger.
    Hoppla, da wächst ja neben

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