Frau Schick räumt auf
Brauselutscher und Kaugummi entscheiden soll. »Wehe Ihnen, wenn Sie mich belügen oder dumme Tricks versuchen«, sagt sie schließlich.
»Tricks? Ich?« Er deutet auf ihre Stöcke. »Wie können Sie so etwas von mir denken? Aber die kommen zu mir nach vorne auf den Beifahrersitz.«
»Die brauche ich.«
»Ich transportiere keine bewaffneten Dra … Damen«, sagt Herberger und nimmt ihr rasch die Walkingstöcke weg, während er ihr beim Einsteigen hilft. »Und ich warne Sie, wenn Sie mich diesmal von der Fahrbahn abbringen oder aus der Kurve werfen, dann wird das für uns beide das letzte Mal gewesen sein.«
14.
»Ricccar~a....,;!?0+-#.«
Verflixt, wie löscht man diesen Zeichensalat? Nelly drückt mit unkontrollierbar zitternden Fingern die Handytaste mit der Ziffer 0, produziert noch mehr Hieroglyphen und ein warnendes »Fiiiiep«. Die Leuchtanzeige des Mobiltelefons flackert und droht zu verlöschen. Oh nein, bitte nein! Der Akku hat kaum noch Strom, und der spanische Telefonanbieter hat ihr bereits unmissverständlich mitgeteilt, dass dieses Teufelsteil nur noch über zwei Euro Guthaben verfügt. Hoffentlich reichen Strom, Geld und ihre Nerven wenigstens für eine SMS mit der dringenden Bitte um Rückruf.
Nelly wischt sich Tränen weg, während ihr rechter Daumen zitternd über die Tastatur tanzt. »Vor, zurück, schräg nach oben«, kommandiert sie sich laut.
»Bin nicht in Pampolo-«
Wieder falsch.
Fiiiiep.
Mist, Mist, Mist! In ihren Augen sammelt sich die nächste Tränenflut, dabei hat sie bereits Sturzbäche geheult.
Fiiiep.
Zum Teufel mit Grammatik und Zeichensetzung! Dann eben »Pampolona«. Ricarda wird es verstehen. Das stromschwache Handy aus der Steinzeit der Mobiltelefone lässt Nelly keine Zeit für halbwegs geordnete Sätze wie »Wurde wahrscheinlich ausgeraubt« oder »Javier ist verschwunden« und: »Ich weiß nicht, wo ich bin und ob Javier überhaupt Javier und Weinhändler ist und in mich verliebt und …«.
Erneutes Fiepen, diesmal klingt es nach Pfeifen auf dem letzten Loch. Da hilft nur noch eins. Nelly sucht hektisch das S auf den Minitasten dieses Billigteils, das so wenig taugt wie Javier, sein verschwundener Besitzer. Mit zitterndem Zeigefinger drückt sie Taste Nummer 7 bis zum »S« durch. Und wo hat sich das verflixte »O« versteckt? Auf Taste 6. Drei Mal muss man dafür drücken.
Fiiiiep.
Nochmal zurück auf Taste 7 bis zum »S«.
Fertig. »SOS«. Darunter noch: »Nelly«.
Sie zögert kurz. Reicht das? Hoffentlich versteckt sich dahinter keines dieser albernen Handykürzel, mit denen Teenager sich bei SMS-Flirts bombardieren, so etwas wie »aldi« für »Am liebsten Dich«. Hoffentlich heißt »SOS« weltweit und auch im Mobilnetz noch immer das, was Nelly meint, und nicht: »Stressfrei ohne Sorgen«.
Fiiiiiep!, schreit der Handy-Akku um Hilfe.
Nelly drückt auf »OK«. Das Handy fragt auf Spanisch nach der Nummer des Empfängers. » Transmittir a?« – »Senden an?«
Oje, wie lautet Ricardas Nummer noch mal?
0176, nein 0175 …
Fiiiiep!
Nein. Plötzlich blinkt die Nummer in Nellys Kopf auf. Ja. Die muss es sein.
Fiiiiep.
Davor noch die internationale Vorwahl. Ihr Zeigefinger spielt Kästchenhüpfen auf den Tasten und drückt noch einmal die »OK«-Taste, als schelle sie an Ricardas Türklingel Sturm. Eine Weltkugel kreist im Anzeigenfeld, das Handy blendet den Herstellerslogan ein: We love to connect und verabschiedet sich stumm.
Erst jetzt dämmert Nelly, dass ihre SOS-SMS ihr nicht viel nützen wird, wenn Ricarda die Nachricht nicht sofort liest und auf den letzten Stromminuten dieses verendenden Handys zurückruft.
Was zur Hölle hat sich dieser Kerl dabei gedacht, sie hier mitten im Nirgendwo sitzen zu lassen, mit nichts als einem Handy für Neandertaler? Und ihrem Hello-Kitty-Kosmetikkoffer. Den hat er gnädigerweise auch zurückgelassen. Aber mit ihren Kreditkarten, ihrem Rucksack und dem Mietwagen samt ramponiertem Salsa Fun im Kofferraum ist er sicher auch ohne Lippenstift und Wimperntusche bestens bedient.
»Oh, du drei Mal verdammte Närrin!«, schimpft sich Nelly zum hundertsten Mal aus. Sie wischt sich Tränen und Schnodder mit einem Designerärmel von St.-Emile aus dem Gesicht. Das Kostüm ist endgültig hinüber. Ob sie in diesem Aufzug jemand per Anhalter mitnehmen wird? Falls sie jemals allein zur Straße zurückfindet.
»Ich gehe nur kurz zurück, um eine Decke zu holen und eine kleine Überraschung. Ruh dich ein bisschen aus«, waren
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