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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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zurückfahren? Zum Flughafen? Und mir Geld für ein Ticket leihen?«
    Ausgezeichnete Idee, findet Herberger, selbst wenn es ein lästiger Umweg von weit über einer Stunde wäre.
    »Bitte! Ich zahle auch alles zurück, sobald ich wieder in Düsseldorf bin. Ich habe Freunde, die alles für mich tun und die …«
    Frau Schick schüttelt energisch den Kopf. »Kindchen, das kommt überhaupt nicht infrage! Nach diesem Schock können Sie unmöglich direkt in einen Flieger steigen. Wenn ich allein daran denke, wie ich Sie vorhin gefunden habe. All das Blut.«
    »Das meiste ist Tomatensaft«, schnieft Nelly.
    »Nicht auf Ihrer Stirn, Kindchen. Nein, nein, das muss sich nochmal ein richtiger Arzt ansehen. Wir rufen ihn direkt ins Hotel.«
    »Die Platzwunde ist völlig harmlos«, diagnostiziert Dr. Herberger, obwohl fachfremd, zum hundertsten Mal. »Stirnwunden bluten immer besonders heftig.« Damit kennt er sich dank zahlreicher Erfahrungen aus, eine war besonders bitter.
    »Genau«, hickst Nelly zustimmend, und Herberger ist erstmals sehr einverstanden mit ihr.
    Frau Schick übergeht die Einwürfe. »Nelly, ich darf Sie doch so nennen? Also, Nelly, Sie können Spanien nicht verlassen. Sie haben doch gar keinen Pass mehr, oder steckt der da drin?« Sie deutet mit listigem Fuchsblick auf das quietschrosa Köfferchen, das Nelly an sich presst, als enthalte es geheime Staatspapiere.
    Nelly stöhnt. Es stimmt offenbar.
    Noch bevor sie etwas sagen kann, klingelt das Köfferchen. Nelly starrt es an, als sei es Aladins Wunderlampe. »Das gibt es nicht. Das gibt es nicht. Das gibt es nicht!«
    Herberger verdreht die Augen. Hat die noch nie ein Handy klingeln hören?
    Vor lauter Hektik reißt Nelly Hello Kitty beinahe den Kopf ab und zieht wenig später ein Neandertaler-Telefon hervor. Wunder über Wunder, der angeblich leere Akku hat sich berappelt. Das Display blinkt, und der Klingelton setzt noch einmal ein, mit forcierter Lautstärke und einer besonders hektischen Variante von Mozarts Rondo alla turc a.
    Herbergers Mund zuckt gequält. Unmöglich, was sie dem armen Mozart so alles antun. Der türkische Marsch wird schon von begabten Pianisten oft genug verhunzt, aber so klingt er, als habe das Salzburger Genie noch dringend einen Bus erreichen müssen und nebenbei im Laufschritt komponiert. Das Handy wiederholt den weltberühmten ersten A-Moll-Dreiklang im Ton einer Rettungsdienstsirene. »Das ist ja nicht zum Aushalten! Jetzt drücken Sie endlich auf Empfang«, herrscht er Nelly an. Auch wenn er normalerweise nicht zimperlich ist: Tote Musikgenies derart grausam zu verstümmeln, das geht zu weit.
    »Herr Doktor Wohlfahrt «, herrscht Frau Schick zurück. »Mäßigen Sie endlich Ihren Ton, und denken Sie daran, wer Sie sind!«
    Wenn er das täte, hätte er diese lästige Nelly längst aus dem Wagen geworfen. Am liebsten, ohne vorher anzuhalten.
    »Es täte mir leid, Sie noch unterwegs entlassen zu müssen!«
    Ihm auch. Mehr als das. Deshalb nimmt er sich zusammen. »Wie Sie wünschen, gnädige Frau! «
    »Ich habe Ihnen gestern ein für alle Mal verboten, mich so zu nennen.«
    »FERDINAND!«, schreit Nelly unvermittelt dazwischen und ins Telefon. »Was machst du an Ricardas Handy? Wie? Ja, ja der Anruf kam von mir, und ich meinte SOS. Ich bin … Also, ich habe einen echten Notfall. Javier ist gar nicht Javier, und er hat mich sitzenlassen und … Wie? Wer Javier ist? Der ist …, der war …, ach egal! Wo ist Ricarda? Schläft noch? Wo? Ach so, in deinem Bett. Ja, ich warte, aber beeil dich, meine Batterien sind alle.«
    Herberger verzieht den Mund wie unter Zahnschmerzen. Diese Nelly verfügt weder über ein Ohr für Mozart noch über eine halbwegs ausgereifte Wortwahl. Meine Batterien sind alle . Die gehört übers Knie gelegt!
    »Wer ist Ferdinand?«, will Frau Schick wissen.
    »Mein Freund«, zischt Nelly.
    Anscheinend nicht der einzige, denkt Herberger.
    »Und Ricarda?«, hakt Frau Schick nach.
    »Meine beste Freundin!«
    Frau Schick holt hörbar und sehr tief Luft. »Und was machen die zusammen …«
    »Ricarda, endlich! Du musst sofort wach werden. Hör zu, ich brauche Geld … Ja, du hattest recht … Du hast immer recht, und ich bin eine Idiotin …«
    »… im Bett«, vollendet Frau Schick ihren Einwurf laut und vernehmlich.
    Nelly stockt, nimmt das Handy vom Ohr und starrt es an, will es wieder ans Ohr nehmen, starrt es noch einmal an.
    Sucht sie jetzt die Sprechmuschel, oder hält sie das Ziffernfeld für ein

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