Frau Schick räumt auf
gekläfft von Lotte Lenya. Oder vielleicht doch in der Cover-Version der Doors . Nein, nicht von den Doors und Jim Morrison. Der war zu hübsch, ein Mann und wahrscheinlich auch ein selbstverliebter Halunke. Wie Jörg und wie Javier. Jim fängt nicht umsonst mit J an!
If we don’t find the next whiskey bar, I tell you we must die. Genau! Verflixt noch mal, warum gucken die Leute so blöd in ihre Richtung? Halten die sie für eine Straßenmusikantin? Oh, tatsächlich und nicht ohne Grund.
Eilig stakst Nelly weiter. Hinter ihrer Sonnenbrille zieht erneut ein Feuchtgebiet herauf. Tief Javier hält sich hartnäckig, ist aber kein Grund, bei vollem Tageslicht den Mond anzuheulen.
Außerdem hat sie doch Freunde. Na ja … Ob sie Ricarda noch so nennen kann?
Ihre wundervolle Becky! Nein, auch nicht mehr. Die reist mit ihrem Vater durch die Weltgeschichte.
Ihre Arbeit! Welche?
Nicht dran denken! NICHT DRAN DENKEN! Jedenfalls nicht, solange sie noch in der Öffentlichkeit ist, keinen Cognacschwenker zum Festhalten hat und sich im Schutz der Trunkenheit lächerlich machen darf. Bis dahin muss sie es in der Wirklichkeit aushalten. Die ist laut und fröhlich bekleidet.
18.
Frau Schick hält Mittagsschlaf. Die Nachtgespenster auch. Die Alhambra-Suite scheint kein Ort für sie zu sein und der Nachmittag nicht ihre Zeit. Frau Schick hat ihr Zimmer mit Nelly getauscht und schläft tief erschöpft und traumlos, bis das Telefon auf dem Nachttisch surrt. Benommen schlägt Frau Schick die Augen auf und starrt in einen Betthimmel aus schwarzblauem Seidenbrokat. Goldene Blumenranken vermählen sich mit unzähligen Monden, aber das umgebende Licht ist ganz falsch, viel zu hell.
Wieder surrt das Telefon.
Schlaftrunken greift Frau Schick nach dem Hörer, raunt ein heiseres »Sí?« hinein.
»Nelly?«, fragt die andere Seite zurück. Bevor Frau Schick antworten kann, überschlägt sich eine spanische Männerstimme, der man anhört, dass sie eine Menge erklären möchte.
Frau Schick ist innerhalb von Sekunden hellwach. »Du?«, fragt sie listig und sehr gedämpft zurück.
» S í , Javier«, bestätigt der Anrufer mit schmelzendem Ton und setzt zu neuen gefühlvollen Erklärungen an, die Frau Schick nicht versteht, aber dringend verstehen will. Was nun?
Sie gähnt sehr laut in den Hörer und raunt. »Sprich deutsch, ich bin …«, Gähnen, »… müde.«
»Du klingst komisch.«
»Ich habe mich im Wald erkältet.«
Der Anrufer pausiert kurz, entscheidet sich, das zu glauben und auf Deutsch weiterzumachen. » Mi corazón, ich … Es tut mir leid. Ich … musste eine Anruf mache. Allein. In die Dorf. Ich ’atte Ärger mit unangenehme Menschen, sehr unangenehme Menschen. Wegen eine schwarze Kredit und eine gepatzte Geschäft. Es war dringend, sonst sie ’ätten …« Er macht eine bedeutsame Pause.
Frau Schick runzelt die Stirn, der Mann meint wohl geplatzte Geschäfte. Aber wer vergibt schwarze Kredite? Und wofür? Wer sind die unangenehmen Leute? »Mafia«, denkt sie laut und fragt sich, ob es so was auch in Spanien gibt. Bestimmt. So was gibt es überall, aber wahrscheinlich heißt es hier anders.
Die Stimme am anderen Ende lacht. Und das äußerst charmant.
»No. Meine Familie. Die iste schlimmer als Mafia«, sagt dieser Javier.
Der könnte ihr glatt sympathisch sein. Nichts da! Den Fehler hat Nelly vor Kurzem auch gemacht. »Ich will mein Geld zurück«, krächzt sie und hustet, damit der Schnupfen glaubwürdiger klingt.
» S í , s í , s í . Ich ’abe nicht angerührt! Ich brauche nur kurz die Auto, um in Dorf zu kommen, und danne warste du fort! Und haste nicht geantwortet meine móvil, meine Handy. Mi amor, wo können wir uns sehen?«
»Nirgends«, krächzt Frau Schick.
»Nelly, iche muss dich sehen! Iche … Es tut mir alles leid. Ich kann morgen, übermorgen sein bei dir. Ich liebe dich doch.«
»Nein!«
Es folgen spanische Beteuerungen, die verdächtig nach Liebeslyrik und Minnesang klingen. Darin ist dieser Javier erschreckend gut. Und dann: »Warte auf mich in die Alhambra.«
»No, nein, no!«
»Bitte!«
»Unmöglich. Ich muss morgen weiter«, bellt Frau Schick und will den Hörer aufknallen.
»Solle ich komme nach Dusseldorf?«
Gegen ihren Willen muss Frau Schick lächeln. Dusseldorf – das klingt in dieser Version fast wie Deppendorf, was ihr als Kölnerin gefällt. Muss sie sich merken.
»Ich hole dich überall ab, mi corazón.«
»Ich habe eine Reisegruppe getroffen und geh jetzt den
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