Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
ostfriesischen Piloten immer noch mit Naturalien bezahlen.
»Der Limburger Dom ist auf dem Tausendmarkschein drauf.«
»Ach so. Das Kleingeld, das bei mir zu Hause rumfliegt, guck’ ich nie so genau an, weißt du.«
Walpurgis hatte vor Neid ihre Wimperntusche verschmiert.
»Also mir wäre das Wiedersehen mit meinem Sohn mehr wert als ein Zehntel der Gage«, hatte Antje mit einem hinterlistigen Seitenblick auf Walpurgis angemerkt.
Walpurgis war daraufhin wütend auf ihrem Besenstiel aus der Garderobe geritten. Sie fiel eben auf alles rein, die Walpurgis.
Jedenfalls hockte ich nun angeschnallt und mit einem Fallschirm auf dem Rücken neben dem Piloten und kämpfte gegen die Übelkeit.
Gestern, im Auto von Robby, war mir ja schon übel gewesen, und nachher, auf der Bühne, noch mehr, aber hier oben in den Lüften, hoch über Kotznabrück, war mir regelrecht zum Speien. Krampfhaft umklammerte ich die praktisch zu öffnende Einweg-Tüte der Firma »Brechnapf und Speibeck«, die der freundliche Pilot mir mit einer gütigen Geste überreicht hatte.
Ich hätte mich ja gerne mit ihm unterhalten, so wie Simon das immer tat; ganz unverbindlich und ausgesprochen nett. Es hätte mich wahrscheinlich sehr erleichtert, dem unschuldigen Piloten meine ganze bescheuerte Lebensgeschichte zu erzählen, aber ich fürchtete, wenn ich nur den Mund aufmachen würde, müsste ich die Tüte entweihen. Außerdem interessierten den Piloten doch nicht die lächerlichen Probleme einer ständig schwangeren eheunwilligen Dorfprimadonna mit Rosinen im Kopf und Furz im Gehirn und einer zweiundsechzigjährigen Nebenbuhlerin am häuslichen Herd.
So schwiegen wir vor uns hin, der Pilot und ich. Ich hing meinen wirren Gedanken nach, die wie die Wolkenfetzen draußen vor dem Bullauge an mir vorbeiflitzten. An was der Pilot dachte, weiß ich nicht. Vielleicht konzentrierte er sich auf den Verkehr.
Klaus. Auf ihn freute ich mich ganz fürchterlich. Besonders auf seine überraschten Augen. Was sollte ich sagen?
»Ich habe mir übrigens was Raffiniertes einfallen lassen, um Frau Pupke loszuwerden. Dreimal darfst du raten.«
»Du hast einen Kochkurs gemacht.«
»Falsch.«
»Du hast die Oper an den Nagel gehängt.«
»Falsch.«
»Du kriegst schon wieder ein Kind.«
»Richtig! Wie bist du darauf gekommen?«
»Ich war dabei!«
Quatsch. Das war zu harmlos.
Jetzt mal bitte etwas ernster. Kind, du bist jetzt eine DAME. Wenn auch nur die dritte. Aber immerhin.
Paulchen. Wie ich mich auf ihn freute! Mein kleiner Geburtstags-Bär! Ich hatte nicht gewusst, dass ich fähig war, mich nach einem kleinen Menschlein so zu verzehren. Wie wunderbar, dass frau ihr Kind so unerträglich schmerzhaft lieben kann. Das hat die Natur so eingerichtet, dachte ich altklug Lilli-mäßig, während ich unauffällig vor mich hin rülpste.
Und Achnes, die bestimmt schon am Prickeln im Urin gespürt hatte, dass ich kommen würde: »HAPPICH es nicht gesacht, sachma? Ich HAPP es doch gesacht, woll! Heute kommt bestimmt die Mama! Bestimmt! Sachma! Ich HAPPES gesacht!!«
Und Antje, die sich scheiden lassen wollte. Sie hatte Rolf nie geliebt.
»Aber das ist doch kein Scheidungsgrund!«
»Seit ich Simon kenne, doch.«
»Aber die Schraubenfabrik!«
»Ich pfeife auf die Schraubenfabrik! Simon ist vollkommen autark!«
»Mag sein, aber er fühlt sich noch nicht reif für die Ehe! Hat er selbst gesagt!«
»Das ist ja das Schöne! Ich mich nämlich auch nicht!«
»Aber die Kinder!«
»Die kommen nach den Ferien ins Internat.«
»Du verstößt die Kinder? Du verleugnest sie? Wegen Simon??«
»Genau das hast du doch auch getan!«
»Ja, ja! Reib mir meine Unzulänglichkeiten nur immer wieder unter die Nase! «
»In meinem Fall liegen die Dinge anders. Die Kinder sind groß. Sie gehen sowieso bald ihrer Wege. Jetzt muss ich endlich mal an MICH denken!«
Zuerst habe sie sich in ihrem goldenen Käfig sehr wohl gefühlt, erklärte Antje abschließend, denn Rolf, ihr schraubendrehender Gatte, habe alle ihre musischen Selbstverwirklichungsgelüste stets begeistert finanziert. Doch nun sei das Leben mit ihm nur noch leer und öde. Das Einzige, was sie noch verbinde, sei der leidige Sex, den er mindestens dreimal täglich auszuüben die Pflicht verspüre. Das wiederum sei ein lästiges Anhängsel seiner Erziehung zum Macho. Sie hatte sowieso vorgehabt, sich von ihm zu trennen, wenn die Kinder aus dem Haus gingen. Und das war ja jetzt der Fall. Das Einzige, worum es ihr wirklich
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