Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
jetzigen Situation! Ganz unmöglich! Blauäugig! Naiv! Oder berechnend?
Ich hatte mir ein zweites Paulchen eingebrockt. Und zwar im Vollbesitz meiner weiblichen Waffen. In München, ohne Netz und doppelten Boden.
Von Klaus, dem Vorjahressieger. Weil er der Mann war, mit dem ich noch ein Kind haben wollte. Wenn nicht noch mehr.
Und zwar ohne Frau Pupke.
Robby würde das nicht verstehen.
Er würde auf der Stelle seinen Wagen wenden und mich veranlassen, das Aufgebot für mich und meinen Kindervater zu bestellen. Oder, falls der nicht wollte, hilfsweise für ihn selbst.
Und das konnte ich beim besten Willen nicht verantworten.
So, wie der Auto fuhr.
Schon wieder so ein Schleicher, der des Wagenlenkens auf öffentlichen Straßen nicht mächtig war. Die Gemütvollen konnten alle nicht Auto fahren.
»Bist du gut bei Stimme?«, fragte Robby mit einem besorgten Seitenblick. Ich lutschte ununterbrochen Fischers-Fritze-Fetzer, extra scharf. Beim Auswickeln der Stimmbandentferner zitterten mir die Finger.
»War schon mal besser drauf«, sagte ich. »Könntest du bitte etwas geradeauser fahren?«
»Aber ich fahre doch geradeaus!«
»Nein, du fährst Schlangenlinien.«
»Bist du nervös?«
Nein. Schwanger. Das verstehst du nicht.
»Quatsch. Ist doch nur die dritte Dame!«
»Aber dein erster szenischer Auftritt!«
»Ach was«, sagte ich. »Wenn du wüsstest, wie viele szenische Auftritte ich schon in meine konzertanten Darbietungen eingeflochten habe!«
Wir schwiegen ein bisschen. Meine Nerven flatterten im Sommerwind hinter mir her. Hach, dass ich aber auch wieder so unpässlich sein musste!
Mein Magen hüpfte unwillig auf und nieder. In jeder Kurve der gewundenen Landstraße wollte er mir schier aus dem Mund fallen. Robby fuhr wie auf faulen Eiern. Und genauso fühlte ich mich auch.
Zwei Stunden später standen wir auf der Bühne, Antje, Walpurgis und ich. Wir steckten in schwärzlichen Gewändern, die den staubigen Boden wischten. In der Hand hatten wir alle einen Besenstiel, der mit Stanniolpapier umwickelt war. Wie praktisch, dachte ich. Walpurgis kann nach der Vorstellung gleich damit weg reiten.
Der Vorhang war noch geschlossen. Unter uns im Orchestergraben schrubbten sie die Ouvertüre.
Der Tamino erschien in seinem prächtigen japonesischen Jagdkleide am rechten Bühneneingang. Hilflos hantierte er mit seinem Pfeil und Bogen herum. Die Bühnenarbeiter drapierten den Dinosaurier aus Pappmaché um seine Füße. Tamino fühlte sich augenscheinlich belästigt und trat nach den Bühnenarbeitern. Niederes Volk! Hinweg!
»Mir ist so schlecht«, flüsterte ich.
»Mir auch!«, raunte Antje.
Walpurgis schüttelte rügend das Haupt.
»Mein Paulchen hat morgen Geburtstag«, flüsterte ich Mitleid heischend, »ich glaube, ich kriege gleich keinen Ton raus!«
»Sing doch: Happy birthday, liebes Paulchen!«
»Außerdem war ich heute morgen beim Arzt und habe erfahren, dass ich wieder schwanger bin!«
»Mir geht’s auch nicht besser«, trumpfte Antje auf. »Ich war heute morgen beim Anwalt und habe die Scheidung eingereicht!«
»Die Schei…! Etwa wegen Simon?«, rief ich halblaut.
»Ruhe!« rief Walpurgis dreiviertellaut. Der pure Neid. Sie hatte eben nichts annähernd Skandalöses beizutragen.
Tamino, der sich in den Fängen des Dinosauriers verheddert hatte, guckte irritiert zu uns rüber.
»Ja, wegen Simon«, sagte Antje provokativ. Scheiß-Walpurgis!
»Simon ist nicht alltagstauglich! Hast du dir das auch gut überlegt?«, rief ich gegen das Crescendo im Orchester an.
»Ja, habe ich!«, schrie Antje zurück. »Ich bin zur Zeit auch nicht alltagstauglich! Das ist vielleicht ein tolles Gefühl!«
Das Orchester ging zum Adagio über. Die Bläser blusen: Tadaa! Tadaa! Tadaa! Dann kam eine Generalpause.
»Haltet doch mal die Schnauze!« rief Walpurgis in die Stille hinein.
Atemberaubende zehn Sekunden Totenstille.
Irritiert fingen die Geiger wieder an zu zirpen.
Walpurgis lief so rot an, dass sie auf der dunklen Bühne einhererschien wie ein Glühwürmchen.
Antje und ich mussten uns aneinander festhalten, um nicht vor Schadenfreude in unsere Gewänder zu pinkeln.
Der Inspizient kam angerannt.
»Ist alles in Ordnung? Ihr seid gleich dran!«
»Klar, Mann«, sagte ich lässig. Und Antje dehnte noch hinzu: »WIR sind Profis!«
Tamino hatte sich inzwischen von den Bühnenarbeitern seinen Flitzebogen erklären lassen und kletterte damit hinter die Kulisse. Hastig nahm er noch seinen Kaugummi aus
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