Frauen al dente. (German Edition)
lief. Programmiert auf Männer mit Lifestyle-Ausstrahlung. Gänseblümchen-Modelle wie Martin gerieten dabei glatt ins Hintertreffen. Es kam beinahe einem kleinen Wunder gleich, daß er dennoch seinen Platz in ihrem Leben gefunden hatte – den er nach der blamablen Szene, die sie ihm vorhin hingelegt hatte, wahrscheinlich mit Kußhand wieder räumen würde.
Marlens Ego hatte sich kleinlaut in eine Ecke ihrer finstersten Seelengänge verkrochen, während ihre innere Stimme Oberwasser erhielt: Wer Männer immer nur benutzt, braucht sich nicht zu wundern, wenn sie eines Tages alle davonlaufen. Martin ist viel zu gutmütig mit dir gewesen. Er war immer zur Stelle, wenn du ihn brauchtest. Selbst den Kotzeimer hat er dir gehalten – welcher Mann tut so etwas schon. Er war ein Juwel in deiner Hand, und du warst zu blöd, es zu bemerken. Jetzt gibt er dir den Tritt in den Hintern, den du verdienst.
Genauso hätte ihre verstorbene Großmutter zu ihr gesprochen. Und selbstverständlich hätte Marlen getan, als hörte sie ihr gar nicht zu. Doch insgeheim hätten ihre Worte sie verfolgt, bis sie jede Schicht ihres Bewußtseins durchdrungen hätten.
Großmutter hätte recht gehabt, gestand Marlen sich ein. Aber was nützte die beste Selbsterkenntnis, wenn es zu spät war? Martin war auf und davon. Mit dieser blonden Fee, die Klasse besaß und bestimmt auch eine Menge Geld. Ein liebenswerter, intelligenter, zudem nicht unattraktiver Mann wie er – seine Blinzelfältchen waren einfach umwerfend – verdiente eine Frau, die ihn zu schätzen wußte. Die blonde Fee würde ihn in Gold aufwiegen.
Tja, dann blieb nur noch der Rückzug. Elegant war er kaum noch möglich. Aber wenigstens mit Anstand. Eine Entschuldigung war angebracht.
Der Weg zum Telefon erschien Marlen wie der Gang zum Schafott. Jeder Schritt fiel ihr schwerer. Allein um die Hand zu heben, die den Telefonhörer halten sollte, hätte sie einen Kran gebraucht. Doch eiserne Selbstdisziplin tat es manchmal auch.
Sie wunderte sich, daß sie seine Telefonnummer auswendig wußte. Aufs Unterbewußtsein war eben Verlaß. Ihr Herz hämmerte wie wild, als das Freizeichen ertönte. Einmal, zweimal, dann endlich seine Stimme: »Hier ist der automatische Anrufbeantworter von Martin Bode. Ich bin zur Zeit nicht zu Hause. Bitte hinterlassen Sie Namen und Telefonnummer, und sprechen Sie nach dem Piepton.«
Auch das noch. Jetzt mußte sie ihre letzten Worte an Martin auf ein seelenloses Band sprechen.
Dann kann er wenigstens nicht dazwischenreden, meldete sich trotzig ihr Ego.
Ruhe.
»Ich bin's. Marlen. Martin, es tut mir leid. Aber als ich dich zusammen mit der Blonden sah, bin ich total ausgeflippt. Ich weiß, daß ich dazu kein Recht habe. Aber irgendwie habe ich erst jetzt gemerkt, daß ich dich mag. Sehr sogar …« Pieps. Ende der Aufnahme.
Marlen hielt den Hörer noch in der Hand, als Barbara zurückkehrte. Sie hatte Lisa versorgt und stellte sich nun als Händchenhalterin und Seelentrösterin für Marlen zur Verfügung.
Doch die winkte nur müde ab.
»Sag nichts. Ich muß erst einmal drüber schlafen. Dieser Tag hat mich geschafft. Und zwar restlos. Hast du vielleicht ein paar Valium für mich?«
»Wählst du den Freitod? Da bist du bei mir an der falschen Adresse. Wenn du willst, kannst du ein paar Baldrian haben, die tun es auch.«
Ach ja. Irgendwo mußten bei ihr auch noch ein paar Dragees herumliegen. Doch weshalb sollte sie erst lange suchen? Da schluckte sie lieber die von Barbara. Gleich vier auf einmal. Sie kroch ins Bett. Bald darauf schlief sie tief und fest.
Marlen träumte von wilder, wogender See. Von sich aufbäumenden Schiffen, die zu zerschellen drohten. Eine kirchturmhohe Welle rollte auf sie zu, bereit, sie mit in die Tiefe zu reißen. Die Planken schwankten bedrohlich unter ihren Füßen, und instinktiv suchte Marlen nach Halt.
»Liebe von Null auf Hundert. Erst nimmt sie mich nicht zur Kenntnis und jetzt klammert sie sich fest.«
»Marlen kennt nun mal kein Mittelmaß. Viel Spaß mit ihr.«
»Danke, daß du mich so spät noch hereingelassen hast.«
»Ziemlich selbstlos von mir, finde ich auch. Zumal ich meine Wettkampfchancen damit beträchtlich schmälere.«
»Wettkampfchancen??«
»Hat nichts zu bedeuten. Habe ich nur so dahin gesagt. Gute Nacht.«
Der Dialog zwischen Martin und Barbara kämpfte sich langsam bis in Marlens Bewußtsein vor.
Der liebe, gute Martin. Kam mitten in der Nacht, um ihr eine Standpauke zu halten und ihr die
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