Frauen al dente. (German Edition)
mit den Vorbereitungen fürs Mittagessen beschäftigt. Niemand nahm von ihnen Notiz. Dennoch streckte sich Barbaras bereits gekrümmter Zeigefinger wieder. Besser, sie klopften nicht. Vorsichtig drückten sie die Klinke herunter und spähten ins Zimmer. Ein kurzer Gang. Rechts zweigte eine Tür zum Bad ab, dahinter öffnete er sich zu einem Zweibettzimmer. Ein Bett war leer. Im anderen lag Hella. Ziemlich blaß, mit geschlossenen Augen. Am Tropf.
Auf Zehenspitzen huschten sie ins Zimmer. Doch plötzlich verließ sie der Mut. Die reale Welt lag hinter ihnen. Hier drinnen wirkte alles gespenstisch still und unwirklich. Nur Hellas gleichmäßige Atemzüge waren zu hören.
»Sie schläft«, stellte Barbara fest, plötzlich verunsichert. Hoffentlich veranstaltete Hella nicht ein Wahnsinnsspektakel, wenn sie die Augen aufschlug und sich ihrer gesamten Kleinfamilie gegenüber sah. Gut möglich, daß sie wirklich viel lieber alleine geblieben wäre. So eine Brustoperation mußte ja erst verarbeitet werden.
»Ich hätte es mir ja denken können, daß ihr mich aufspürt«, flüsterte Hella plötzlich in die Stille hinein.
»Mensch, du bist ja wach! Wie geht es dir denn?« Marlen beugte sich über das Bett und küßte Hella auf beide Wangen. Dann hielt sie ihr Lisa direkt vors Gesicht. Das Baby brabbelte fröhlich und ruderte mit den Ärmchen.
Hella lächelte. Noch schlapp von der Narkose, aber sichtlich erfreut.
»Und? Wie sieht's aus? Noch alles dran?« Barbara fiel mit der Tür ins Haus. Marlen erstarrte fast vor Schreck.
»Sag mal, spinnst du?« fauchte sie empört. Ihre Augen funkelten böse. Barbara war unmöglich. Wie konnte sie bloß so instinktlos sein? Hier ging es nicht um einen Friseurbesuch.
Ausgerechnet Hella versuchte, sie zu beruhigen. »Bitte streitet euch nicht«, bat sie mit leiser Stimme. »Im Moment ist noch alles dran. Sie haben mir erst eine Gewebeprobe entnommen. Wenn alles gut geht, komm' ich morgen bereits wieder raus…«
Und wenn nicht alles gut ging? Darüber wollte Marlen lieber nicht nachdenken.
»Sieh mal, was wir hier haben!«
Stolz präsentierte sie ihre Beute. Die Plastiktüte mit den Geldscheinen. »Ganz schön leichtsinnig von dir, soviel Geld in deinem Zimmer aufzubewahren. Jens konnte nicht widerstehen und hat sich im wahrsten Sinne desWortes die Taschen vollgestopft. Doch wir haben es ihm unter dramatischen Umständen abgejagt, nicht wahr, Barbara?«
Wieder versöhnt bogen sich die beiden vor Lachen. Diese Geschichte würden sie noch ihren Enkelkindern erzählen.
»Marlen, hast du schon mal nachgezählt, wieviel Geld es ist?« erkundigte Barbara sich.
»Tausend Mark, vermutlich«, antwortete Hella. Endlich wieder mit rosigen Wangen. Sie lächelte. »Der arme Jens. Er wird ganz schön fluchen. Ich habe es ihm nämlich geschenkt.«
»Tausend Mark? Ja, spinnst du denn? Wenn du Geld übrig hast, gib es mir. Ich kann's gebrauchen«, rief Marlen.
»Dann hat er doch die Wahrheit gesagt. Ich dachte schon, er will mich auf den Arm nehmen«, lachte Barbara, von Reue keine Spur. »Wißt ihr, welchen Satz ich ihm ins Stammbuch geschrieben habe? Frauen wie wir bezahlen nicht für Sex. Wahrscheinlich wird ihm das heutige Erlebnis eine Lehre sein.«
Hella verkniff sich jede weitere Erklärung. Auch, weil draußen auf dem Gang Stimmen zu hören waren.
»Visite! Macht euch schon mal auf ein Donnerwetter gefaßt. Die haben es nicht gern, wenn man ihre Anordnungen übertritt.«
Marlen wechselte mit Barbara einen schnellen Blick. Ärger war so ziemlich das Letzte, was sie Hella im Augenblick zumuten wollten.
»Bis später!« Wie der Blitz verschwanden sie in dem winzigen Bad. Gerade noch rechtzeitig, bevor von außen die Tür geöffnet wurde. Vorsichtshalber verzichteten sie auf Licht, um nicht automatisch die Umlufteinrichtung in Gang zu setzen. Zum Glück legte Lisa gerade ein Nickerchen ein. Sie hätte sie sonst laut weinend verraten.
Frau Dr. Keller kam in Begleitung einer Krankenschwester und eines jungen Zivildienstleistenden. Während die Schwester sofort die Einstellung der Infusion kontrollierte, wartete er im Hintergrund auf seinen Einsatz.
»Dann wollen wir mal sehen, was die Probe ergeben hat«, lächelte die Ärztin Hella aufmunternd zu. »Die Pathologie hat sich beeilt, damit Sie sobald wie möglich Klarheit bekommen.«
Hella glaubte einen Hauch von gutmütigem Spott aus ihren Worten herauszuhören. Als sie sich gestern am späten Nachmittag doch noch entschlossen hatte,
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