Frauen al dente. (German Edition)
Augenblick in Ihnen vorgeht,« sagte er arglos.
»Ooh!!!« Marlen schnaufte vernehmlich. Dennoch folgte sie ihm, als er mit der Tragetasche voran in ihr Zimmer ging.
»Danke, Frau Pöschel, wenn Sie möchten, können Sie jetzt gehen.«
Frau Pöschel entschwand und Marlen blieb mit Rechtsanwalt und Baby allein zurück. Oder richtiger, der Rechtsanwalt und das Baby blieben zurück. Denn immerhin befanden sie sich in ihrer Wohnung, auch wenn sie sich im Moment nicht unbedingt als Herrin der Lage fühlte.
Rechtsanwalt Bode stellte die Tasche mit dem Baby auf Marlens Sofa ab. Dann schenkte er ihr ein Glas frisches Mineralwasser ein.
»Hier, trinken Sie. Genau das Richtige bei Schock«, stellte er fest.
»Ein Cognac wäre mir jetzt lieber«, murmelte Marlen in ihr Glas hinein.
»Und mir ist es lieber, wenn Sie in der nächsten halben Stunde einen klaren Kopf behalten. Damit später keine Beschwerden kommen«, entgegnete Rechtsanwalt Bode prompt.
Wenn Blicke töten könnten – Bode wäre in diesem Moment zu einem Häuflein Asche verglüht.
Ungerührt griff er zu seinen Papieren. »Das Kind wurde vor knapp drei Monaten, am 10. Februar geboren. Frau Kunert hat den Namen des Vaters bei der Geburt nicht angegeben, insofern kann das Kind nicht zu ihm. Weitere lebende Verwandte von Frau Kunert sind ebenfalls nicht bekannt. Daher hat sie kurz nach der Geburt ihrer Tochter bei mir dieses Testament hinterlegt. Ich habe hier die Abschrift, das Original befindet sich bereits beim Vormundschaftsgericht, das jetzt über den Verbleib des Kindes entscheiden muß, wie es im Amtsdeutsch heißt …« Auffordernd reichte er Marlen die handbeschriebenen Seiten. Zögernd griff sie danach.
Als sie die vertraute Handschrift vor sich sah, fiel ihr alles wieder ein. Die feucht-fröhliche Feier nach bestandenem Examen. Vollgepumpt mit Erdbeersekt und in einem Anflug von Abschiedsschmerz hatte der Blues die Freundinnen gepackt.
Das Leben war schlecht, doch zum Glück gab es Freunde. Freundschaft auf ewig, durch dick und dünn. Wir wollen niemals auseinandergehen. Und sollten wir dennoch heiraten, 'werden wir uns über die Schwächen unserer Ehemänner gegenseitig hinwegtrösten, die Kinder werden gemeinsam aufwachsen, und sollte einer von uns etwas zustoßen, dann wird die andere sich um die Kinder kümmern.
So weit, so gut. Aber verdammt! Times are changing. Menschen kommen und gehen. Resi konnte unmöglich darauf vertraut haben, daß Marlen sich an ihre damaligen Sentimentalitäten erinnerte.
Doch sie hatte! Im Testament stand es schwarz auf weiß: »… Im Falle meines Todes bestimme ich Frau Marlen Sommer zum Vormund meines Kindes, sofern sie bereit ist, diese Verantwortung zu übernehmen …«
»Wie konnte sie nur!« entfuhr es Marlen. »Ohne vorher mit mir zu sprechen!« Nervös schlang sie ihre Haare zu einem Dutt auf dem Oberkopf zusammen, doch mangels Spange rieselten sie sofort wieder herunter, als sie sie losließ.
»Vergessen Sie nicht, daß Sie sich seit dem Studium nicht mehr gesehen haben. Sie wußte nicht, wo Sie sich aufhielten. Und mit Baby und Beruf fehlte ihr einfach die Zeit, nach Ihnen zu suchen. Immerhin habe ich auch eine Woche gebraucht, um Sie zu finden. Aber Frau Kunert hat diesen Brief für Sie bei mir hinterlegt. An Ihrer Stelle würde ich ihn erst lesen, bevor ich mich entscheide.« Rechtsanwalt Bode reichte ihr einen hellblauen Umschlag. Marlen blinzelte nervös. Dieser Umschlag stammte von Resi, da gab es gar keine Zweifel. Sie erkannte ihn sofort. Während ihrer gemeinsamen Bonner Zeit hatte Resi einen kompletten Satz Briefpapier mit Umschlägen von einer alten und vermutlich ebenfalls längst verstorbenen Tante geschenkt bekommen. Und ihn gewissenhaft benutzt. Was ihr bei ihr einen leicht verstaubten und verschrobenen Anstrich verlieh, denn wer außer ihr schrieb im Zeitalter des Telefons noch Briefe? Und dazu noch auf hellblauem Papier?
Gerührt drehte Marlen den Umschlag in den Händen. »Typisch Resi!«, lächelte sie. Abrupt erhob sie sich. »Wenn's Ihnen recht ist, möchte ich den Brief zunächst alleine lesen«, sagte sie. »Oder wissen Sie bereits, was drin steht?« Im Augenblick traute sie jedem alles zu.
»Er ist versiegelt«, antwortete er mit undurchdringlicher Miene.
»Mmmh.« Marlen stakste hinüber in die Küche. Ihre Finger zitterten, als sie den Umschlag öffnete.
Liebe Marlen
, las sie.
Wie Du Dir sicherlich denken kannst, wünsche ich mir, daß du diesen Brief nie zu lesen
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