Frauen al dente. (German Edition)
abzufinden.
Kaum vorstellbar, aber wenn ich sie jetzt vor mir liegen sehe, schwappt mein Herz regelrecht über vor Glück. Irgendwie banal, nicht wahr?
Ich werde diesen Brief zusammen mit meinem Testament, das bereits fix und fertig in meiner Handtasche steckt, einem Düsseldorfer Anwalt und Notar übergeben, den ich vor kurzem in der Firma kennengelernt habe. Er macht einen soliden Eindruck auf mich und scheint auch sonst ein netter Kerl zu sein. Im Ernstfall wird er sich später um alles kümmern.
Liebste Marlen, ich wünsche mir wirklich von ganzem Herzen, daß Du diese Zeilen nie in Händen halten wirst. Aber es wäre mir tausendmal wohler, wenn ich wüßte, daß Du Dich nach meinem Tod um Lisa Marlen kümmern würdest. Sie hat außer mir doch niemanden.
Auf unsere Freundschaft und hoffentlich bis bald!
Deine Resi
Die letzten Sätze waren nur schwer leserlich. Marlen wischte mit der Hand darüber und stellte fest, daß die Tinte verschmierte. Ihre eigenen Tränen waren aufs Papier getropft. Sie stützte die Ellenbogen auf den Tisch und preßte die Fäuste gegen die Augen.
Meine Güte, Resi, ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft du mich mit deiner Sentimentalität schon genervt hast. Aber diesmal übertriffst du wirklich alles. Zugegeben, wir hatten eine schöne Zeit zusammen, damals in Bonn, während des Studiums. Mehr aber auch nicht. Wenn uns wirklich eine so tiefe Freundschaft verbunden hätte, wie du es zu glauben scheinst, hätten wir uns niemals aus den Augen verloren. Oder?
Mit einem Tempotuch tupfte Marlen sich die Augen trocken. Dann erhob sie sich und ging entschlossen hinüber in ihr Zimmer, wo Rechtsanwalt Bode geduldig auf sie wartete. Diskret übersah er ihre verweinten Augen.
»Was passiert mit Lisa … Marlen«, – der zweite Name wollte ihr kaum über die Lippen kommen – »Wenn ich die Vormundschaft ablehne?« erkundigte sie sich betont sachlich.
»Im Augenblick steht das Baby unter der Amtsvormundschaft des Jugendamtes. Das Vormundschaftsgericht muß entscheiden, ob Sie bereit und auch geeignet sind, die Vormundschaft zu übernehmen. Es wird das Jugendamt bitten, dies zu überprüfen. In jedem Fall muß sie vom Gericht ausdrücklich festgestellt werden. Für den Fall, daß Sie die Vormundschaft ablehnen, bleibt die Amtsvormundschaft bestehen und das Jugendamt wird sich schnellstmöglich um geeignete Pflegeeltern oder besser noch, um Adoptiveltern, bemühen. Je eher, desto besser. Allein im Interesse des Kindes. Die ersten Lebensmonate sind für die Entwicklung eines Kindes bekanntlich entscheidend.«
Immer dieses Amtsdeutsch. Dennoch hatte Marlen verstanden. Ratlos seufzte sie auf. Ihr Blick fiel auf das fremde Wesen in der Tasche. Nie würde es ihr gelingen, das Baby in ihren Alltag einzubauen. Wer sollte sich tagsüber um das Kind kümmern? Babies mußten essen, trinken und wer weiß was noch. Es konnte einfach nicht klappen.
»Wie kommt es eigentlich, daß Sie mit dem Baby bei mir aufkreuzen? Sie sagten doch selbst, daß zur Zeit das Jugendamt für Lisa Marlen zuständig ist!« fiel es ihr plötzlich auf.
»Zugegebenermaßen habe ich meine Beziehungen ein wenig spielen lassen«, gestand Bode in einem Anflug von Verlegenheit. »Und außerdem … Frau Kunert hat mich als Gegenvormund für Lisa Marlen eingesetzt.«
»Als Gegen … was?«
»Als sogenannten Gegenvormund«, wiederholte er geduldig. »Ich bin quasi für alles Finanzielle verantwortlich. Während Sie für die emotionale Betreuung des Kindes zuständig sind.«
Marlen warf ihm einen scharfen Blick zu. Schwang in seinen Worten etwa Ironie mit?
»Was würden Sie an meiner Stelle tun?« platzte sie plötzlich heraus. »Ich weiß nicht, ob Sie verheiratet sind, ich aber bin allein und zwar bewußt. Gestern erst hat man mir die Chance meines Lebens geboten. Es fehlt nicht mehr viel, und ich bin in ein paar Monaten stellvertretende Chefredakteurin von
pleasure.
Und von dort aus ist es nur ein Katzensprung bis ganz an die Spitze! Dann wäre ich am Ziel aller meiner Wünsche. Was soll ich in einer solchen Situation mit einem Baby? Sie können mich doch sicherlich verstehen!? Was soll ich tun?«
Rechtsanwalt Bode betrachtete sie ernst. »Ich weiß nicht, was für Sie das Richtige wäre. Das müssen Sie mit sich alleine ausmachen.« Er zögerte kurz. »Aber ich weiß, was ich tun werde, wenn Sie die Vormundschaft ablehnen. Dann werde ich das Vormundschaftsgericht bitten, mir die alleinige Vormundschaft zu
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