Frauen al dente. (German Edition)
anders. Sie drückte ihm einen kräftigen Kuß auf beide Wangen.
»Aber hallo! Ihr feiert wohl den Sieg über Frau Müller? Hast du mein Sorgerecht für Lisa auch gleich geregelt?«
Marlen erstarrte. Hella. Wieso mußte sie ein derart heikles Thema ausgerechnet zwischen Tür und Angel ansprechen? Morgen war doch auch noch ein Tag.
Sie spürte Martins prüfenden Blick auf sich gerichtet. Er spiegelte Überraschung wider. Irritation. Mißtrauen. Eben die ganze Palette unguter Gefühle, die er ihr nach Hellas Worten notgedrungen entgegenbringen mußte. Er mußte annehmen, daß es längst beschlossene Sache war, Hella das Sorgerecht für Lisa zu übertragen. Obwohl er selbst angeboten hatte, sich als ihr Gegenvormund um Lisa zu kümmern.
Meine Güte, was für eine komplizierte Situation. Da half nur ein Befreiungsschlag. Hart, aber herzlich.
Marlen atmete einmal tief in den Bauch hinein, um sich selbst zu beruhigen. Dann blickte sie demonstrativ auf die Uhr.
»Es ist spät. Ich muß los. Soviel nur: Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie der Bericht von Frau Müller ausfallen wird. Sie hat es mit keiner Silbe verraten. Bei dem Chaos, das ihr alle miteinander veranstaltet habt, würde es allerdings an ein Wunder grenzen, wenn er positiv ausfiele. Und im übrigen – Hella, ich kann deinen Vorschlag nicht annehmen. Ich werde mich selbst um Lisa kümmern. Mach dir also keine falschen Hoffnungen. Aber laß uns später darüber reden. Ich muß jetzt los.«
Sie rang sich ein Lächeln ab.
Bestürzt bemerkte sie, wie Hella die Farbe aus dem Gesicht wich. Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, ließ es dann aber doch. Unvermittelt wandte sie sich ab und lief auf ihr Zimmer. Die Tür knallte hinter ihr ins Schloß.
Mein Gott, sie hat sich total auf Lisa versteift, schoß es Marlen durch den Kopf.
Unschlüssig wartete sie, was als nächstes passieren würde. Doch Hella blieb in ihrem Zimmer verschwunden.
»Soll ich hinterher?« fragte sie.
Martin nahm die Brille ab und begann, die Gläser mit einem Zipfel seines Oberhemdes zu putzen. Auch er schien weit entfernt von seiner Bestform. Müde strich er mit der Hand über die Augen.
»Gib ihr Zeit. Sie ist eine erwachsene Frau. Sie wird schon darüber hinwegkommen. Lauf zu deinem Peer. Je eher du zurück bist, desto besser für mich.«
Marlen atmete erleichtert auf. Er hatte ihr die Absolution erteilt.
»Tschau!« Die ersten Treppenstufen rannte sie hinunter, als wäre der Teufel hinter ihr her. Dann blieb sie stehen und lauschte. Rührte sich da oben nicht vielleicht doch etwas? Weinte Lisa? Brach Hella in laute Verzweiflungsschreie aus? fluchte Martin, daß die Wände wackelten? Sie wäre auf der Stelle umgekehrt und hätte sich dem Tumult gestellt.
Doch alles schien ruhig und gefaßt abzulaufen, so, wie es sich bei zivilisierten Menschen gehörte. Hella neigte nicht zu übertriebenen Gefühlsäußerungen. Unnötig, sich Sorgen zu machen.
Um so besser. Dann durfte sie sich zum Abschluß dieses Katastrophentages getrost ein Betthupferl gönnen. Eine beschwingende Aussicht.
Kapitel 20
In der Zwischenzeit spielte Barbara die Hauptrolle in ihrem eigenen Drama. Bis zur Unkenntlichkeit hatte sie sich verändert, damit nicht jeder 70-Pfennig-Leser mit Fingern auf sie zeigte. Der Friseur erlitt einen Schwächeanfall, als sie darauf bestand, ihre roten Prachthaare in aschgraue Eselslocken umzufärben. Aber das Ergebnis gab ihr recht. Nichts veränderte eine Frau so wie eine neue Frisur und Haarfarbe. Dennoch – selbst in ihren eigenen vier Wänden wurde sie von ihrer neuen Popularität eingeholt. Im Falle ihrer unangemeldeten Besucher war dies allerdings kein allzu großes Kunststück. Frau Maiersdorf, die Gattin des Staatssekretärs, und Rechtsanwalt Dr. Jordan, ein Freund der Familie, gaben sich die Ehre.
»Sie sind Barbara Koch?« Frau Maiersdorf verstand die Welt nicht mehr. Dieses grauhaarige unscheinbare Etwas in Sack und Asche sollte ihre Nebenbuhlerin sein? Der Stein des Anstoßes? Die Femme fatale, die ihren sittenstrengen Ehemann vom Pfad der Tugend geleitet hatte?
Frau Maiersdorf, bei der sich angesichts des dpa-Bildes zugegebenermaßen Zweifel geregt hatten, leistete insgeheim ihrem Ehemann Abbitte. Seine Erklärung für dieses Bild klang zunächst zwar abenteuerlich, erschien ihr nun aber zunehmend glaubhaft: »Nach meiner 30-km-Radfahrleistung habe ich dringend aufs Klo gemußt. Die Blase, Liebes, du kennst mein Problem. Wenn der Drang erst einmal da
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