Frauen, die Geschichte machten
Versen) nichts nachtrug.
Er wollte freilich auch nicht an sie erinnert werden und verbat sich die Nennung ihres Namens in seiner Gegenwart. Ihr Bild
in der »Schönheitengalerie« ließ er verhängen und später archivieren. Als ihn die Nachricht aus New York vom frühen Tod der
einst heiß geliebten Freundin am 17. Januar 1861 erreichte, ruhte der inzwischen 72-jährige König längst in den Armen einer
neuen Favoritin, der kaum 18 Jahre alten Baronesse Carlotta von Breidbach-Bürresheim.
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Viktoria von Großbritannien
Europas Großmutter
|194| Als am 4. August 1914 die britische Kriegserklärung in Berlin einging, die einen Weltbrand heraufzubeschwören drohte, seufzte
der deutsche Kaiser in grotesker Verkennung des eigenen maßgeblichen Anteils am Unheil: »Großmutter hätte das nie erlaubt.«
Wilhelm II. sprach von der englischen Königin Viktoria, die knapp anderthalb Jahrzehnte zuvor, am 22. Januar 1901, in seinen
Armen und im Beisein auch seines Cousins und nun regierenden Königs Georg V. in ihrem Schloss Osborne House auf der Isle of
Wright gestorben war. Schon damals war es zwar längst vorbei gewesen mit der absolutistischen Machtfülle der Monarchen, doch
war dieser biederen und energischen Dame auf dem Thron Englands in ihrer über 63 Jahre währenden Amtszeit eine Autorität zugewachsen,
an der vorbei auch das Parlament und der gewählte Premierminister nur schwer einen Krieg hätten absegnen können.
In der Familie war Viktoria unangefochten die Nummer eins, und unter den Monarchen Europas hatte ihre Stimme kaum weniger
Gewicht. Natürlich wäre es auch ihr nicht gelungen, das Verhängnis abzuwenden, doch dass einen traurigen Moment lang die Sehnsucht
nach ihrer Integrationskraft wach wurde, sagt viel über die inzwischen auf dem alten Kontinent entfesselten Konflikte, die
sie qua Persönlichkeit wo nicht zu bändigen, so doch vorübergehend zu dämpfen verstanden hatte.
Als sie am 20. Juni 1837 den Königsthron bestieg, hätte sich diese Karriere keiner träumen lassen, am allerwenigsten sie selbst.
Sie war eine 18-jährige, mäßig gebildete junge Frau und zudem für dieses Amt eine höchst seltsame Verlegenheitslösung. Sie
war nämlich auf Anforderung des britischen Unterhauses – man muss schon sagen – »hergestellt« worden. 1817 hatte es auf einmal
so ausgesehen, als könne der britische Thron verwaisen, was selbst das Parlament, durch die Turbulenzen der Französischen
Revolution aufgeschreckt, nicht wollen konnte. Denn obwohl Großbritannien schon lange eine konstitutionelle Monarchie war,
herrschte keineswegs das Volk, sondern eine dünne Oberschicht. Das Wahlrecht stand damals nicht einmal zehn Prozent der begüterten
Männer zu. Die Krone war Garant für ihre Vorrechte, auch wenn die Träger dieser Krone in der letzten Zeit weitgehend unfähige
und wenig beliebte Könige aus dem Hause Hannover gewesen waren.
1817 trug die Krone der geistig umnachtete Georg III., für den sein Sohn und Thronfolger Georg seit 1811 die Regentschaft
führte. Auch dieser Regent |195| und spätere König Georg IV. bedeckte den Königsornat nicht eben mit Ruhm, sondern fiel eher durch Skandale auf. Er war aber
immerhin verheiratet und hatte eine Tochter, die ihrerseits mit Leopold von Sachsen-Coburg verheiratet war. Ausgerechnet diese
21 Jahre junge Frau, auf der alle Thronhoffnungen ruhten, starb urplötzlich. Damit waren auf weite Sicht keine Erben für die
Thronfolge mehr vorhanden. Zwar hatte der künftige König eine Reihe von Brüdern, die auch allerhand Mätressen und einige uneheliche
Kinder vorweisen konnten, doch waren sie für das Erbe der Dynastie nicht geeignet. Das Parlament rief sie nun zur ehelichen
Ordnung, und drei Brüder beugten sich dem auch, heirateten ausreichend blaublütige Damen und traten in Wettstreit um die Erstgeburt.
Die Nase vorn hatten der drittälteste Königsbruder Eduard, Herzog von Kent, und seine unlängst angetraute deutsche Frau Viktoria
von Sachsen-Coburg, verwitwete von Leiningen. Am 24. Mai 1819 brachte sie die nach ihr benannte Viktoria zur Welt, und diese
Tochter rutschte nun ganz nach vorn in der Reihe der Thronaspiranten, da mit weiteren Kindern des vom Folgejahr an regierenden
58-jährigen Königs Georg IV. nicht mehr zu rechnen war. Vor Viktoria rangierten nur noch dessen Brüder, und einer von ihnen,
Wilhelm IV., beerbte den 1830 verstorbenen Georg dann auch. Der neue König war
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