Frauen, die Geschichte machten
fundierten Analysen, die Albert selbst erarbeitete und zur Basis
seiner Ratschläge machte. Sie wurden für Viktoria unentbehrlich, und sie ernannte ihren Mann vor den Geburten zum Regenten;
Niederkünfte waren seinerzeit immer noch mit einem hohen Risiko behaftet. Ihre Wahl, aus Liebe getroffen, war auch staatspolitisch
glücklich, denn anders als seine Frau beobachtete Albert die Verwandlung Großbritanniens während der sich beschleunigenden
industriellen Revolution aufmerksam und verstand die Zeichen der Zeit zu deuten.
Nicht dass er dadurch zu einem profilierten Sozialpolitiker geworden wäre, dafür fehlte ihm wie all den adligen Staatsmännern
seiner Zeit der Kontakt zum dramatisch anwachsenden Elend der dramatisch anwachsenden Massen: Englands Bevölkerung verdoppelte
sich während der Regierungszeit Viktorias von 15 auf über 30 Millionen. Nein, für die soziale Frage hatte auch Albert kein
Gespür, aber was seinem oder besser dem Land seiner Frau nutzte, das erfasste er rasch. So war es vornehmlich seiner Initiative
zu danken, dass 1851 in London die erste Weltausstellung stattfand. Staunend schaute die Menschheit auf die Großmacht England
und ihre wirtschaftliche Potenz.
Schließlich besann sich auch das britische Parlament auf die Anerkennung der Leistungen des königlichen Gemahls und verlieh
ihm 1857 den Titel Prinzgemahl. Eine Genugtuung für Viktoria, für die Albert zum einzigen Leitstern geworden war. Ihrer Tochter
Vicky in Berlin, mit der sie in fast täglichem Briefverkehr stand, schrieb sie im Jahr darauf: »Ich kann nie glauben oder
zugeben, dass irgendein anderer Mensch vom Schicksal so gesegnet worden ist wie ich, mit einem solchen Mann, einem solch vollkommenen
Mann. Papa war für mich alles und ist es auch heute noch … mein Vater, mein Beschützer, mein Führer, mein Ratgeber in allen
Dingen. Ich möchte fast sagen, er war mir Mutter und Mann zugleich. Nichts kann sich so verändert haben wie ich mich dank |199| des wunderbaren Einflusses unseres lieben Papas. Sein Verhältnis zu mir ist von einer ganz besonderen Art. Ich bin wie gelähmt,
wenn er nicht bei mir ist.«
So kam es 1861. Albert hatte sich wie so oft übernommen mit Arbeit, dann waren noch Sorgen um den liederlichen Bertie und
seine Affären hinzugekommen, und schließlich warf ihn eine Erkältung aufs Krankenlager. Es wurde zum Sterbebett des erst 42-Jährigen.
Sein Lebenslicht erlosch am 14. Dezember, dem wohl schwärzesten Datum im Leben der Königin, die untröstlich war. Ein Jahrzehnt
lebte sie völlig zurückgezogen, trug nur noch Trauerkleidung, schlief mit Alberts Nachthemden und verbot, dass irgendetwas
in seinem Zimmer verändert wurde. Politisch trat sie so gut wie nicht mehr in Erscheinung und verlor rapide an Popularität.
Das hatte seinen Grund auch darin, dass 1868 bis 1874 ein Mann Premierminister war, den sie nicht ausstehen konnte: William
Gladstone, der prinzipienfeste Liberale, fand keinen Zugang zur Queen.
Ganz anders sein konservativer Nachfolger Benjamin Disraeli, der sechs Jahre lang bis 1880 amtierte und das Herz der von Trauer
niedergedrückten Viktoria dadurch gewann, dass er sie als Frau und erst in zweiter Linie als Staatsoberhaupt wahrnahm. Als
»die Feenkönigin« bezeichnete er die rundlich gewordene, rapide gealterte Monarchin galant und schaffte es, zuweilen wieder
einen Funken Interesse bei ihr für Staatsgeschäfte und für seine – imperialistische – Politik zu wecken. Gipfel seiner Huldigungen
wurde 1876 die Ernennung Viktorias zur Kaiserin von Indien. Sie zog auf diese Weise gleich mit dem Kaiser von Österreich und
dem des jungen Deutschen Reiches sowie mit dem russischen Zaren. Diese Aufwertung tat ihr gut und trug der Tatsache Rechnung,
dass sie Herrin über das mächtigste Imperium war, das es je gegeben hatte. Es umfasste beinahe ein Viertel der gesamten irdischen
Landmasse und die Weltmeere sowieso: »Rule Britannia, Britannia rule the waves …«
Auch privat ging es wieder aufwärts, und daran war ebenfalls ein Mann entscheidend beteiligt: Alberts ergebener schottischer
Diener John Brown. So nichtssagend der Name, so stattlich und aufmerksam, so zuverlässig und vertrauenswürdig der Mann, dem
bald ein skandalöses Verhältnis, ja eine heimliche Ehe mit der Königin nachgesagt wurde. War »Mrs. Brown«, so die Menschen
auf der Straße, in ihrer Trauer nicht auffällig oft und auffällig lange in Schottland
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