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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Barth
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Kämmerer«, 74-jährig bereits das Zeitliche gesegnet hatte. Seine postume
     Vaterschaft stand im Ruf der Anrüchigkeit, weil er das späte Kind mit einer um ein halbes Jahrhundert jüngeren schlicht geborenen
     von Körner gezeugt hatte. Da nützte es wenig, dass die Kinskys sich von so berühmten Figuren wie Wallensteins Obristen herschrieben,
     der seine Treue zum Generalissimus 1634 mit dem Tod bezahlt hatte. Leistung zählte damals wenig bis nichts, Herkunft war alles.
     Wer darauf wie der offenbar recht aktive Graf keine Rücksicht nahm, bürdete seinen Erben die gesellschaftlichen Folgen auf.
    Erschwerend kam oft hinzu, dass die Betroffenen nicht begreifen wollten, dass sie künftig einen anderen Status haben würden,
     als es ihnen dem klingenden Familiennamen nach zuzustehen schien. Berthas Mutter Sophie jedenfalls akzeptierte die Deklassierung
     nie, lebte konsequent über ihre Verhältnisse und |203| gab der Tochter damit ein fatales Beispiel. Lebenslang sollte diese Prägung Bertha am Aufbau eines gedeihlichen Verhältnisses
     zu materiellem Besitz hindern. Außerdem waren herbe gesellschaftliche Enttäuschungen programmiert. Über eine besonders tief
     sitzende berichtete Bertha noch ein halbes Jahrhundert später in ihren Memoiren von 1909. Sie sollte 18-jährig ihre ersten
     Schritte in die große Wiener Welt machen, wohin die Familie 1856 gezogen war, wurde entsprechend ausstaffiert und von der
     Mutter zu einem Ball begleitet: »Ich sehe noch meine Toilette: ein weißes Kleid ganz mit kleinen Rosenknospen besät. Voll
     freudiger Erwartung betrat ich den Saal. Voll gekränkter Enttäuschung habe ich ihn verlassen. Nur wenige Tänzer hatte ich
     gefunden. Beim Kotillon wäre ich bald sitzen geblieben, hätte sich nicht schließlich ein hässlicher Infanterieoffizier, der
     sich zahlreiche Körbe geholt hatte, meiner erbarmt. Die hochadligen Mütter saßen beisammen, meine Mutter saß einsam; die Komtessen
     standen in Rudeln und schnatterten miteinander – ich kannte keine; beim Souper bildeten sich lustige Gesellschaften, ich war
     verlassen.«
    So drastisch ließ man Außenseiter die Verachtung spüren, und kein junger Ritter rettete wie in den damals beliebten Romanen
     die Schöne. Hübsch nämlich war die junge Bertha, und man sah bereits ihre künftige Schönheit heranreifen. Damit aber konnte
     sie freilich ebenso wenig etwas anfangen wie mit Geld. So stürzte sie sich gleich nach der berichteten Enttäuschung aus Trotz
     in ein Verlöbnis mit dem steinreichen, aber bereits 52-jährigen Bruder des Dichters Heinrich Heine. Doch die unerfahrene Frau
     geriet bei den ersten Berührungen in Panik und löste die Verbindung eilends wieder. Fortan hielt sie Distanz zu ihren Verehrern,
     an denen es nicht mangelte in Venedig, Baden-Baden oder Rom.
    Die Mutter reiste gern, auch wenn sie sich das immer weniger leisten konnte. Und Bertha begleitete sie gern, denn in der Fremde
     war sie die Comtesse, und es fragte niemand danach, wie hochgeboren sie tatsächlich war. Wenn es nur gelang, den Schein zu
     wahren durch aufwändige Garderobe und entsprechenden Lebensstil. Das aber wurde zunehmend das Problem, denn Sophie gab nicht
     nur mehr aus, als sie besaß. Sie versuchte die dadurch unvermeidlichen Schulden durch Spielgewinne wettzumachen, die natürlich
     ausblieben, sodass die Löcher in der Kasse noch größer wurden und manche Reise eher zur Flucht vor Gläubigern geriet. Und
     natürlich galt sie immer auch der Suche nach einer möglichst guten Partie für die Tochter, die sich allerdings lange nicht
     festlegen mochte.
    Stattdessen erklärte sich Bertha bereit, den Traum gebliebenen Wunsch der Mutter nach einer Bühnenkarriere sozusagen stellvertretend
     zu erfüllen. Man hatte sie und damit die Mutter glauben gemacht, sie habe das Zeug zu einer ganz großen Sängerinnenkarriere,
     und ein Pariser Maestro versprach: »Aus Ihnen werde ich etwas machen.« Die Kinskys zogen daher 1867 nach Paris, froh, |204| dem Wiener Hochmut gegenüber ihrem »niederen« Adel entrinnen zu können und einigen Gläubigern vorübergehend auch. Vielleicht
     würde Berthas Talent ja Gewinn bringen, dessen es zur Sanierung des Familienvermögens bedurfte.
    Schnell aber zeigte es sich, dass es mit Berthas Stimme doch nicht so weit her war, und auch immenser Fleiß und Ehrgeiz vermochten
     auf Dauer Selbstzweifel nicht zu übertönen. Ob eine reiche Verheiratung nicht doch aussichtsreicher war? Und siehe da, just
     in der

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