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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Barth
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Liebesflüchtlinge mit offenen Armen
     auf und kam auch für sie auf, so weit das ging. Auf Dauer aber konnte selbst sie die Exilanten nicht alimentieren, die sich
     daher nützlich zu machen suchten.
    Sie gaben Deutsch-, Musik- und Benimmunterricht. Artur lebte sein grafisches Talent aus beim Entwerfen von Tapeten und versuchte
     sich sogar als Architekt. Das politische Klima in der Region verschlechterte sich jedoch schon bald nach der Ankunft des jungen
     Paares. Der 1877 ausbrechende russisch-türkische Krieg zwang ihre Auftraggeber zu finanzieller Zurückhaltung und ließ die
     ohnedies kargen Einkünfte der Suttners weiter schrumpfen. Er brachte für Bertha aber auch einen entscheidenden Impuls: Sie
     begann zu schreiben und stellte fest, dass sie dazu tatsächlich Talent hatte. Unter einem Pseudonym, das nicht erkennen ließ,
     dass sich eine Frau dahinter verbarg (»B. Oulot«), konnte sie ihre Texte gut vermarkten. Zwar gab es bereits erfolgreiche
     Schriftstellerinnen, doch hatten es Frauen immer noch viel schwerer als Männer, erst recht, wenn sie Anfängerinnen waren und
     entfernt von ihrer Heimat arbeiteten.
    |206| Sie schrieb Beiträge aller Art, Feuilletons wie Naturkundliches, Reiseberichte wie Pädagogisches. Deutlich beeinflusst wurde
     alles von ihrem Engagement für die Opfer des Krieges von 1877/78, sodass ein pazifistischer Ton sich bereits jetzt in ihren
     Arbeiten bemerkbar machte, ohne schon Programm zu sein. Das erste Buch »Inventarium einer Seele«, das 1883 erschien, also
     im siebenten Jahr ihres Exils, wurde da schon sehr deutlich. Sie widmete ein ganzes Kapitel dem Gedanken der Abrüstung als
     Weg zur Kriegsvermeidung. Noch aber war ihre Ausdrucksweise literarischer Art, ebenso, wenn die Verfasserin anregte, den üblichen
     Sammlungen von Schlachtgesängen und Heldenepen »eine Anthologie von Friedensstrophen« entgegenzustellen.
    Tod und Krieg gaben nun auch Berthas Leben eine neue Wendung. Ihre Gönnerin, die Fürstin von Mingrelien, starb, was den Verlust
     einer wesentlichen Stütze in der Fremde bedeutete, und auf dem Balkan brauten sich wieder einmal Kriegswolken zusammen. So
     reifte der Entschluss zur Rückkehr nach Österreich, von wo Arturs Eltern Signale der Versöhnung ausgesandt hatten. Diese hatten
     inzwischen die Stadtvilla aufgegeben und lebten nur noch auf Schloss Harmannsdorf im Waldviertel. Dort fanden die beiden Heimkehrer
     im Mai 1885 wieder ein Zuhause, das allerdings immer gefährdet blieb wegen allseits schlechter Finanzlage. Die neuen Mitbewohner
     konnten trotz ihrer regen Schriftstellerei wenig zum Unterhalt beitragen, denn die Honorare waren gering. Auch den neuen in
     rascher Folge 1886 bis 1889 erscheinenden Büchern von Bertha, »High Life« über den parasitären Wiener Adel, dem autobiografischen
     »Schriftsteller-Roman« und ihren Betrachtungen unter dem Titel »Maschinenzeitalter«, war kein rauschender Erfolg beschieden.
     Das verwundert nicht, suchte die Autorin doch stets zu viel philosophische Fracht mit ihren wortreichen Erzählungen zu transportieren.
    In Sachen Frauenemanzipation war Bertha ihrer Zeit voraus und deswegen gut beraten, sich hier hinter einem Pseudonym zu verstecken.
     Ihre Klage, dass die Frauen immer nur auf »ihre Männer beglückende Wirksamkeit« reduziert würden, wäre sonst wohl noch weniger
     ernst genommen worden. Bei einem anderen Thema aber trat sie erstmals aus der Deckung des Pseudonyms und fand auch deswegen
     ungeheure Resonanz: War es schon unerhört, dass eine Frau sich des Themas Krieg annahm, so erschütterte die von ihr gewählte
     Perspektive als Opfer des militärischen Männerwahns doppelt. Die im Jahr 1889 herausgebrachte zweibändige »Lebensgeschichte«
     schrie das Entsetzen der Autorin über das Gemetzel in den Kriegen der jüngeren Vergangenheit förmlich heraus: »Die Waffen
     nieder!«
    Die Zeit war reif für diesen Schrei, den schon der Rotkreuz-Gründer Henri Dunant nach dem Erlebnis der Schlacht von Solferino
     1859 ausgestoßen hatte und der angeschwollen war nach den nächsten europäischen Waffengängen im deutsch-dänischen (1864),
     preußisch-österreichischen (1866) und deutsch-französischen |207| Krieg (1870/71). Die Kriege sind auch Kulisse und Stoff des Suttner-Romans »Die Waffen nieder!«, der in einer Ich-Erzählung
     den Lebensweg der Martha Gräfin Althaus, später Gräfin Dotzky und schließlich Baronin Tilling, nachzeichnet. Anhand von höchst
     drastisch erzählten

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