Frauen, die Geschichte machten
gesanglichen Krise tauchte ein Verehrer auf, dessen Vater sich als »reichster Mann Australiens« zu titulieren beliebte
und Bertha an der Seite seines Sohnes das Paradies auf Erden verhieß. Sie durfte sich sogar schon eines der vielen in Paris
und Versailles zum Verkauf stehenden Palais als künftigen Wohnsitz aussuchen. Mit der Bezahlung hatte es der Schwiegervater
in spe dann aber nicht eilig, und der Bräutigam kam schließlich auch nicht zur Verlobungsfeier. Mutter Sophie und Tochter
Bertha waren Heiratsschwindlern aufgesessen, die es auf ihren vermeintlichen Reichtum abgesehen und das Weite gesucht hatten,
als dieser sich bei näherem Hinsehen bloß als ein großer Haufen Schulden erwies.
Wenigstens kam zum Spott nicht weiterer Schaden, wenn man davon absieht, dass die gar nicht mehr so junge Frau für weitere
Jahre die Lust an der unermüdlich von der Mutter betriebenen Eheanbahnung verlor. Erst 1872, Bertha war nun schon knapp 30
Jahre alt, fand sich ein Bewerber, auf den gewartet zu haben es sich scheinbar doppelt gelohnt hatte: Adolf Prinz zu Sayn-Wittgenstein
versprach, Bertha aus den Niederungen des einfachen Adels in höchste fürstliche Kreise zu heben und aus den finanziellen Schwierigkeiten
zu helfen. Doch die Realität sah anders aus: Wegen seiner Verschwendungssucht und seiner Schulden hatte der Fürst seinem Sohn
Adolf im selben Jahr die Geschäftsfähigkeit entzogen, sodass dieser eher auf die Finanzen der Kinskys spekulierte. Selbst
als offenbar wurde, dass es keine Reichtümer gab, und der Fürst seinerseits eine Verbindung strikt untersagte, wollten die
beiden heiraten und nach Amerika gehen. Der Prinz reiste voraus, starb aber auf der Überfahrt. Bertha war zum dritten Mal
beim Einlaufen in den Ehehafen gescheitert.
Sophie Kinsky war nun hoch verschuldet, sodass der in die Jahre gekommenen Tochter nichts anderes übrig blieb, als selbst
für einen einigermaßen anständigen Lebensunterhalt zu sorgen. Sie fand eine Anstellung als »Erzieherin und Kameradin« der
vier Töchter des Wiener Freiherrn Karl von Suttner. 1873 trat sie in seinen Dienst und damit auch ins Leben seines jüngsten
Sohnes Artur, der sein Herz an die reife, sieben Jahre ältere Frau verlor. Eine Weile lang ließ sich die Affäre verheimlichen,
zumal die Schwestern das Pärchen deckten. Doch dann war die Sache an den Tag gekommen und fand ganz und gar nicht die Billigung
der Eltern Suttner, deren Wohlstand ebenfalls nur noch aus Schein bestand. Eine mittellose Schwiegertochter wäre für sie einem
schweren |205| finanziellen Verlust gleichgekommen, ganz abgesehen vom Skandal einer Liaison zwischen dem Sohn des Hauses und einer Angestellten.
Bertha und Artur trennten sich auf Geheiß der Eltern, allerdings mit dem festen Vorsatz, sich möglichst bald und möglichst
weit weg ein gemeinsames Leben aufzubauen. Die vorübergehende Trennung brachte, so kurz sie war, eine entscheidende Erfahrung
für Bertha mit sich. Sie bewarb sich auf die Annonce eines »sehr reichen älteren Herrn in Paris«, der eine Sekretärin und
Haushaltschefin suchte, und dieser Mann war kein geringerer als Alfred Nobel und nur knapp ein Jahrzehnt älter als Bertha.
Seine Erfindung, das Dynamit, stellte er der neuen Hausgenossin als erste Stufe zur Überwindung des Krieges vor, denn weitere
Verbesserungen würden schließlich zu solcher Zerstörungskraft führen, dass es kein Mensch mehr wagen könnte, zu den Waffen
zu greifen. Bertha wird nur genickt haben, interessieren konnten sie in ihrem Liebeskummer solche Gedanken kaum. Und als bald
darauf Kunde aus Wien von den Schwestern Suttner kam, dass Artur sich völlig in seiner Sehnsucht nach ihr verzehre, da gab
es kein Halten mehr.
Bertha kündigte, kratzte ihre letzten Groschen zusammen, fuhr nach Wien und hielt am 12. Juni 1876 ihren Artur als Ehemann
in den Armen. Ein Priester hatte beide heimlich in einer Vorstadtkirche ohne Wissen der Eltern Suttner getraut. Bertha entsann
sich der wiederholten dringlichen Einladungen der Fürstin Ekaterina Dadiani von Mingrelien und machte sich mit ihrem Mann
nun dorthin auf. Heute kennen viele den Namen das Landes kaum noch, das den Westen Georgiens bildet und damit am Oststrand
des Schwarzen Meeres liegt und damals bereits von Russland vereinnahmt war. Die Landesfürstin aber wurde immer noch von der
zaristischen Regierung mit allen Ehren behandelt, als sei sie unabhängig. Sie nahm die
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