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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Barth
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gesanglichen Krise tauchte ein Verehrer auf, dessen Vater sich als »reichster Mann Australiens« zu titulieren beliebte
     und Bertha an der Seite seines Sohnes das Paradies auf Erden verhieß. Sie durfte sich sogar schon eines der vielen in Paris
     und Versailles zum Verkauf stehenden Palais als künftigen Wohnsitz aussuchen. Mit der Bezahlung hatte es der Schwiegervater
     in spe dann aber nicht eilig, und der Bräutigam kam schließlich auch nicht zur Verlobungsfeier. Mutter Sophie und Tochter
     Bertha waren Heiratsschwindlern aufgesessen, die es auf ihren vermeintlichen Reichtum abgesehen und das Weite gesucht hatten,
     als dieser sich bei näherem Hinsehen bloß als ein großer Haufen Schulden erwies.
    Wenigstens kam zum Spott nicht weiterer Schaden, wenn man davon absieht, dass die gar nicht mehr so junge Frau für weitere
     Jahre die Lust an der unermüdlich von der Mutter betriebenen Eheanbahnung verlor. Erst 1872, Bertha war nun schon knapp 30
     Jahre alt, fand sich ein Bewerber, auf den gewartet zu haben es sich scheinbar doppelt gelohnt hatte: Adolf Prinz zu Sayn-Wittgenstein
     versprach, Bertha aus den Niederungen des einfachen Adels in höchste fürstliche Kreise zu heben und aus den finanziellen Schwierigkeiten
     zu helfen. Doch die Realität sah anders aus: Wegen seiner Verschwendungssucht und seiner Schulden hatte der Fürst seinem Sohn
     Adolf im selben Jahr die Geschäftsfähigkeit entzogen, sodass dieser eher auf die Finanzen der Kinskys spekulierte. Selbst
     als offenbar wurde, dass es keine Reichtümer gab, und der Fürst seinerseits eine Verbindung strikt untersagte, wollten die
     beiden heiraten und nach Amerika gehen. Der Prinz reiste voraus, starb aber auf der Überfahrt. Bertha war zum dritten Mal
     beim Einlaufen in den Ehehafen gescheitert.
    Sophie Kinsky war nun hoch verschuldet, sodass der in die Jahre gekommenen Tochter nichts anderes übrig blieb, als selbst
     für einen einigermaßen anständigen Lebensunterhalt zu sorgen. Sie fand eine Anstellung als »Erzieherin und Kameradin« der
     vier Töchter des Wiener Freiherrn Karl von Suttner. 1873 trat sie in seinen Dienst und damit auch ins Leben seines jüngsten
     Sohnes Artur, der sein Herz an die reife, sieben Jahre ältere Frau verlor. Eine Weile lang ließ sich die Affäre verheimlichen,
     zumal die Schwestern das Pärchen deckten. Doch dann war die Sache an den Tag gekommen und fand ganz und gar nicht die Billigung
     der Eltern Suttner, deren Wohlstand ebenfalls nur noch aus Schein bestand. Eine mittellose Schwiegertochter wäre für sie einem
     schweren |205| finanziellen Verlust gleichgekommen, ganz abgesehen vom Skandal einer Liaison zwischen dem Sohn des Hauses und einer Angestellten.
    Bertha und Artur trennten sich auf Geheiß der Eltern, allerdings mit dem festen Vorsatz, sich möglichst bald und möglichst
     weit weg ein gemeinsames Leben aufzubauen. Die vorübergehende Trennung brachte, so kurz sie war, eine entscheidende Erfahrung
     für Bertha mit sich. Sie bewarb sich auf die Annonce eines »sehr reichen älteren Herrn in Paris«, der eine Sekretärin und
     Haushaltschefin suchte, und dieser Mann war kein geringerer als Alfred Nobel und nur knapp ein Jahrzehnt älter als Bertha.
     Seine Erfindung, das Dynamit, stellte er der neuen Hausgenossin als erste Stufe zur Überwindung des Krieges vor, denn weitere
     Verbesserungen würden schließlich zu solcher Zerstörungskraft führen, dass es kein Mensch mehr wagen könnte, zu den Waffen
     zu greifen. Bertha wird nur genickt haben, interessieren konnten sie in ihrem Liebeskummer solche Gedanken kaum. Und als bald
     darauf Kunde aus Wien von den Schwestern Suttner kam, dass Artur sich völlig in seiner Sehnsucht nach ihr verzehre, da gab
     es kein Halten mehr.
    Bertha kündigte, kratzte ihre letzten Groschen zusammen, fuhr nach Wien und hielt am 12. Juni 1876 ihren Artur als Ehemann
     in den Armen. Ein Priester hatte beide heimlich in einer Vorstadtkirche ohne Wissen der Eltern Suttner getraut. Bertha entsann
     sich der wiederholten dringlichen Einladungen der Fürstin Ekaterina Dadiani von Mingrelien und machte sich mit ihrem Mann
     nun dorthin auf. Heute kennen viele den Namen das Landes kaum noch, das den Westen Georgiens bildet und damit am Oststrand
     des Schwarzen Meeres liegt und damals bereits von Russland vereinnahmt war. Die Landesfürstin aber wurde immer noch von der
     zaristischen Regierung mit allen Ehren behandelt, als sei sie unabhängig. Sie nahm die

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