Frauen, die Geschichte machten
Chrodechilde? Chrodechilde stammte aus burgundischem Königsgeschlecht. Sie war die Tochter eines Teilherrschers namens
Chilperich. Ihr Geburtsdatum ist unbekannt, es könnte um das Jahr 478 gelegen haben. Die Quellen dichten ihr ein Aschenbrödel-Dasein
am Hof ihres Onkels Gundobad an, der ihre Eltern und ihre Brüder ermordet haben soll. Das ist vermutlich ebenso unrichtig
wie auch die Geschichte von Chlodwigs Brautwerbung: Ein Vertrauter des jungen Frankenkönigs, der sich als Bettler verkleidete,
soll der scharf bewachten Chrodechilde den Heiratsantrag überbracht haben. Dabei geschah die Brautwerbung ganz offiziell,
die Hochzeit fand vermutlich zwischen den Jahren 492 und 494 statt. Chrodechilde war etwa 15 Jahre alt, der Bräutigam, geboren
466, deutlich älter als sie. Er war auch bereits Vater. Eine unbekannte Frau hatte ihm einen Sohn namens Theuderich geboren.
Dergleichen war im merowingischen Königshaus und auch sonst in der germanischen Welt üblich, man nannte solche Verhältnisse
Friedelehen. Die Kinder aus diesen Verhältnissen galten als erbberechtigt. Theuderich sollte dann auch nach Chlodwigs Tod
511 seinen Anteil am väterlichen Erbe erhalten, genau wie die Söhne, die Chrodechilde zur Welt brachte.
Die junge fränkische Königin war Christin, aber anders als bei den arianischen Burgundern üblich, im römisch-katholischen
Glauben erzogen. Sie verdankte das einer Ziehmutter, die sich am Hof ihrer angenommen hatte. Das Christentum hatte sich in
der Oberschicht auch schon zu römischer Zeit vor allem durch die Frauen ausgebreitet.
Wie kam ihr Mann Chlodwig an den neuen Glauben? Geschah es, wie bei Gregor beschrieben, nach langem beharrlichen Bohren Chrodechildes
und theologischen Diskussionen der Eheleute, in denen Chlodwig Mühe hatte, die Vorzüge seiner heidnischen »Götzen«, also Wodans,
Thors und anderer Größen der germanischen Götterwelt, zu verteidigen? Oder gar durch den Einsatz der berühmten »Waffen der
Frau«? Das »Buch der fränkischen Geschichte«, die Quelle aus dem 8. Jahrhundert, will uns jedenfalls glauben machen, dass
Chrodechilde am Hochzeitstag auf der Schwelle zum Schlafzimmer einen entsprechenden Anlauf dazu unternahm. »Am Abend desselbigen
Tages«, erzählt der wahrscheinlich geistliche Verfasser, »als sie nach dem Hochzeitsbrauche miteinander schlafen sollten,
wandte sie, wie sie verständigen Sinnes war, ihre Gedanken und Hoffnungen an den Herrn und sprach: ›Nun, mein König und Herr,
höre die Worte deiner Magd und gewähre in Gnaden, was deine Magd bittet, ehe sie deinem Willen sich beugt.‹ Der König sagte:
›Verlange, was du willst, und ich will es dir gewähren.‹« Das »verständige« Mädchen legt daraufhin ihrem Gemahl einen regelrechten
Forderungskatalog vor, nach dem er sich zum Glauben erstens an Gottvater, zweitens an den Sohn Jesus Christus |53| und drittens an den heiligen Geist bekennen soll. Ferner soll er den heidnischen Götzen abschwören, die Kirchen, die er zerstört
hat, wieder aufbauen und Chrodechildes Erbteil bei ihrem Onkel reklamieren. Chlodwigs Antwort ist ausweichend. Das burgundische
Erbteil – gewiss, dafür will er sich einsetzen. Aber die anderen Dinge – die sind vorerst nicht zu machen, »zu schwer« lautet
seine Auskunft.
Führt man sich vor Augen, was von Chlodwig sonst bekannt ist, seine Schlauheit und Gewalttätigkeit – er schreckte bekanntlich
nicht davor zurück, Verwandte eigenhändig umzubringen – die Autorität, die er genoss, und sein politischer Scharfblick, dann
kann man ihn sich kaum als zugänglich für weibliche Missionsversuche vorstellen – es sei denn, er erkannte einen Nutzen für
sich dabei. Der Bischof von Tours verweist auf die Bedrängnis in der Alemannenschlacht, die letztlich den Ausschlag gegeben
habe. Dieser Beweggrund wird heute für plausibel gehalten. Chlodwigs Bekehrung vollzieht sich, so die Deutung, durch ein starkes
Erlebnis, das ihm zuteil wird, in diesem Fall eine fast schon verlorene Schlacht, die sich wunderbarerweise zu seinen Gunsten
wendet. Das entspricht germanischer Anschauung. Im Kampf klärte sich, ob eine Sache gut und gerecht war. Wenn die alten Götter
nicht vermochten, Chlodwig den Sieg zu sichern, ihn im Gegenteil in Todesnot geraten ließen, dann war er bereit, auf den neuen
Gott zu setzen. So redet Chlodwig – in Gregors Darstellung – Gott in seinem Gebet auf dem Schlachtfeld als Vertragspartner
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