Frauen, die Geschichte machten
Katholizismus, zum Glauben, den die Kirche in Rom praktizierte
– damals keine Selbstverständlichkeit. Die christliche Welt war seit dem Konzil von Nicäa 324/325 geteilt in die Anhänger
des Bischofs Athanasius, der die Lehre von der Gottgleichheit Jesu Christi vertrat, und die Gläubigen, die seinem Kontrahenten
Arius folgten, der postulierte, dass Jesus dem Vater nur wesensähnlich und also untergeordnet sei. Athanasius war der maßgebliche
Mann für das Papsttum und die Kirche in Rom, unter den Germanen hingegen, die das Christentum angenommen hatten, galt Arius
als die entscheidende Instanz. Das Konzil von Nicäa hatte die Lehre des Arius verdammt, sie befand sich seitdem auf verlorenem
Posten, wenn das auch angesichts der Zahl ihrer Anhänger noch kaum zu spüren war. Chlodwigs Entscheidung für das athanasianische,
also römisch-katholische Bekenntnis brachte ihn in Frontstellung zu den germanischen, arianisch orientierten Staaten der Nachbarschaft.
Das kam ihm durchaus nicht ungelegen, da das abweichende Bekenntnis ihm einen günstigen Vorwand für die künftige fränkische
Expansion etwa in Richtung des westgotischen und des burgundischen |51| Reiches bot. Der Frankenkönig konnte nun gleichsam als Missionar auftreten, der den rechten Glauben mit der Waffe in der Hand
durchsetzte. Vor allem aber förderte es die Konsolidierung des eigenen Machtbereiches. Chlodwig gründete sein Reich im ehemals
römisch besetzten Gallien. Die einheimische Bevölkerung war katholisch, die Kirchenorganisation nach Rom orientiert. Die Kirche
nahm vielfältige Aufgaben wahr, die ehemals der römische Staat geleistet hatte, etwa im Bereich der Sozialpolitik. Das konnten
die Franken jetzt für sich nutzen. Indem Chlodwig den in Gallien dominierenden Glauben annahm, tat er einen bedeutenden Schritt
hin zur Integration. Bis dahin hatte germanische Reichsbildung auf römischem Boden immer Fremdherrschaft bedeutet. Eine dünne
Herrscherschicht etablierte ihren Staat ohne Beziehung zur einheimischen Bevölkerung, mit der sie nicht einmal das religiöse
Bekenntnis teilte. Das war im Fränkischen Reich anders. Bereitwillig nahmen die Einwanderer die Kultur der Unterworfenen auf,
und da es, wenigstens was den Glauben betraf, keine Differenzen gab, fielen die Prozesse der Eingewöhnung und Verschmelzung
beiden Seiten leichter.
Chlodwigs Übertritt zum katholischen Glauben – was er übrigens nicht allein tat, sondern gemeinsam mit 3000 Mann seines Gefolges
– soll auf Veranlassung seiner Frau Chrodechilde geschehen sein. Der fränkische Geschichtsschreiber Gregor von Tours berichtet
590 in seinen »Zehn Bücher Geschichten«, Chrodechilde, selbst bereits Christin, habe ihren Mann lange bearbeitet, dem Heidentum
abzuschwören. Dies tat er zu einem kritischen Zeitpunkt, während einer Schlacht gegen die Alemannen. »Chlodwigs Heer war nahe
dran, vernichtet zu werden«, schreibt Gregor. »Als er das sah, erhob er seine Augen zum Himmel, sein Herz wurde gerührt, seine
Augen füllten sich mit Tränen, und er sprach: ›Jesus Christ, Chrodechilde sagt, du seiest der Sohn des lebendigen Gottes,
Hilfe sollst du den Bedrängten, Sieg geben denen, die auf dich hoffen – ich flehe dich demütig an um deinen mächtigen Beistand.‹«
Über die Frau von König Chlodwig gibt es nur wenig Quellenmaterial, und direkt zeitgenössisch ist fast nichts davon. Das früheste
Zeugnis ist ein Brief des Erzbischofs von Trier aus dem Jahr 567, gerichtet an eine Enkelin Chrodechildes: Darin wird sie
aufgefordert, dem Beispiel ihrer Großmutter zu folgen und ihren Mann, den Langobardenkönig Alboin, zu bekehren. Der bereits
erwähnte Gregor von Tours verfasste seine »Zehn Bücher Geschichten« um 590. Die Chronik des Fredegar, in der die Königin gewürdigt
wird, entstand um 625, das anonyme »Buch der fränkischen Geschichte«, in dem sie gleichfalls vorkommt, um 726, die »Vita Sanctae
Chrothildis«, eine Lebensbeschreibung der mittlerweile zur Heiligen aufgerückten Königin noch viel später, wahrscheinlich
erst im 10. Jahrhundert. Wie nicht anders denkbar, stammt alles Quellenmaterial aus kirchlichen Kreisen und gibt insofern
eine eigene (gefärbte) Sicht auf die Dinge wieder. Die Rolle, die Chrodechilde bei der Bekehrung des Frankenkönigs |52| spielte, wird darin nach Kräften hervorgehoben. In die Darstellung ihres Lebens mischte man Legenden, Märchen und Sagen hinein.
Wer war
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