Frauen, die Geschichte machten
Namen, war Bärenwärter, er hütete die Pelztiere, die in die Arena getrieben wurden, um in den Pausen zwischen
den Rennen ihre Kunststücke vorzuführen. Theodora wuchs im Circus auf, sie sog die Atmosphäre von Leidenschaft und Gewalttätigkeit
sozusagen mit der Muttermilch auf.
Akakios starb, als Theodora noch ein Kind war. Er hatte seinen Posten von den Grünen erhalten, also präsentierte seine Witwe
rasch einen Nachfolger, den sie auch zu heiraten versprach. Es erwies sich jedoch, dass die Grünen den Bärenwärter-Job bereits
anderweitig vergeben hatten – an einen Kandidaten, der ein tüchtiges Bestechungsgeld hingelegt hatte. Den Ruin vor Augen,
entschloss sich die Witwe zu einer öffentlichen Demonstration: Sie führte ihre Kinder, Theodora als die Mittlere gerade vier
oder fünf Jahre alt, ihre um zwei |58| oder drei Jahre ältere Schwester Komito sowie das Nesthäkchen Anastasia, in die Arena und bat um eine Anstellung für ihren
zukünftigen Mann. Die Kleinen trugen Blumenkränze im Haar und reckten flehentlich die Ärmchen, aber die Vorstellung kam schlecht
an. Die Zuschauer lachten die Familie aus. Für Theodora ein unvergessliches Erlebnis. Sie konnte dann doch in der heimischen
Circuswelt bleiben, denn die Partei der Blauen, die den Grünen eins auswischen wollte, nahm die Familie des verstorbenen Bärenwärters
unter ihre Fittiche.
Komito verdingte sich bald als Schauspielerin, und Theodora ging ihr als Assistentin zur Hand. Bald gab man ihr Nebenrollen,
und im Alter von 15 oder 16 Jahren war sie reif für Alleinauftritte. Sie spielte kein Instrument, sie konnte nicht singen,
aber das machte nichts. Vortrefflich gewachsen, ein Ausbund an Schönheit, dabei frech und schamlos, gab sie dem Publikum,
was es sehen wollte: Erotik pur. Zu den Höhepunkten ihres Repertoires gehörte eine Nummer, bei der sie nackt bis auf eine
Binde um Hüfte und Brust auf der Bühne lag, während eine dressierte Gans nach Körnern pickte, die zwischen ihren Schenkeln
steckten, und Theodora wand und wälzte sich dabei, als ob ihr höchste Lust geschähe. Prokop von Cäsarea, ein byzantinischer
Chronist des 6. Jahrhunderts, sagt ihr dazu noch eine Neigung zur Nymphomanie nach: Mit zehn oder mehr jungen Männern hätte
sie die Nächte verbracht, und dermaßen unersättlich sei sie gewesen, dass sie, wenn ihre Liebhaber erschöpft waren, sich auch
noch über deren Sklaven, deren Zahl noch ungleich größer war, hergemacht hätte. Das ist vermutlich frei erfunden, gleichwohl
wird Theodora ihren Körper verkauft haben, nur eben vielleicht in den Häusern der Reichen.
Ein Mann namens Hekebolos bot ihr, um das Jahr 520, als sie etwa zwanzig war, die Chance, aus der Welt des Circus herauszukommen.
Er nahm sie als Geliebte mit nach Nordafrika, wo er zum Verwalter der Provinz Pentapolis (im heutigen östlichen Libyen) ernannt
worden war. Doch Theodora blieb nicht lange bei ihm, es gab Streit, und sie musste ihn verlassen. Allein schlug sie sich über
Alexandria und Antiochia zurück nach Hause. Auf welche Weise, mit welchen Verkehrsmitteln sie die ungeheure Entfernung bewältigt
hat, ist nicht bekannt, aber dass beträchtlicher Wagemut dazu gehörte, sich als Frau allein auf eine solche Reise zu wagen,
liegt auf der Hand.
In Alexandria sowie in Antiochia widerfuhren ihr Erlebnisse, die man nach ihrer bisherigen Biografie kaum erwarten sollte.
Sie erweckten in ihr den Glauben zu Gott. Theodora begegnete auf ihrer Reise Kirchenmännern, etwa dem Patriarchen von Alexandria,
Timotheus, und dessen Amtskollegen in Antiochia, Severus. Beide waren Monophysiten. So nannte man die Anhänger der Lehre,
die nur die eine Natur Christi anerkennen wollte und seine menschliche Natur leugnete – im Gegensatz zur Orthodoxie, für die
Christus zwei Naturen besaß, eine menschliche und eine göttliche. Der Monophysitismus war auf dem |59| Konzil von Chalkedon 451 als Irrlehre verdammt worden, aber die Kirchen in Ägypten und Syrien ließen sich davon vorerst nicht
beeindrucken, wie auch in anderen Teilen des Byzantinischen Reiches, nicht zuletzt hatte in Konstantinopel die »Ketzerei«
ihre gläubigen Vertreter, wenn ihnen auch von den Orthodoxen nach Kräften das Leben schwer gemacht wurde. Theodora nahm die
monophytische Lehre begeistert auf. Sie hielt ihr lebenslang die Treue und setzte sich später als Kaiserin beharrlich für
deren Exponenten ein.
Bei welcher Gelegenheit sie
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