Frauen, die Geschichte machten
nehmen. Um den Posten des Heermeisters gab es darum die größten Auseinandersetzungen.
Sie spielten sich in diesen Jahren zwischen drei Männern ab, Felix, Bonifatius und Aetius. Leider traf Galla Placidia unter
ihnen nicht die beste Wahl. Sie ließ Aetius, den fähigsten, links liegen und begünstigte stattdessen Bonifatius. Dieser war
für Afrika zuständig. Sein Konkurrent Felix schwärzte ihn als Donatisten bei Hofe an. Die Donatisten, eine christliche Sekte,
benannt nach Donatus, einem Bischof von Karthago im 4. Jahrhundert, wurden auf Veranlassung des Papstes staatlich verfolgt.
Felix mobilisierte schließlich sein Heer gehen ihn, um seine Absetzung zu erzwingen. Bonifatius rief daraufhin die Wandalen
aus Spanien zu Hilfe. Die stachen im Mai 429 unter ihrem König Geiserich in See und nahmen Roms afrikanische Provinzen sogleich
für sich in Besitz. Felix versuchte anschließend Aetius auszubooten, der in Gallien zu Hause war. Aber Aetius war schneller.
Er schickte Agenten aus, die Felix‘ Armee gegen ihren General aufbrachten. Im Mai 430 kam dieser bei einer Truppenmeuterei
in Ravenna ums Leben. Galla Placidia blieb nun nichts anderes übrig, als Aetius zum obersten Heerführer Westroms zu ernennen.
Doch schon 432 rief sie ihren früheren Günstling Bonifatius wieder nach Italien und gab ihm den Posten des Heermeisters. Das
konnte sich Aetius nicht bieten lassen. Es kam zur Entscheidungsschlacht, ausgetragen bei |47| Rimini im Frühjahr 432. Bonifatius siegte zwar, wurde aber selbst so schwer verwundet, dass er drei Monate später starb. Galla
Placidia ernannte einen Nachfolger für ihn namens Sebastianus, der jedoch gegen ein hunnisches Heer, das Aetius zu Hilfe kam,
nichts auszurichten vermochte und nach Konstantinopel flüchtete. Für Aetius war nun endgültig die Bahn frei, bis zu seiner
Ermordung im Jahr 454 stand er an der Spitze des weströmischen Heerwesens.
435 schloss Galla Placidia einen Friedensvertrag mit den Wandalen. Afrika, der wichtigste Nahrungslieferant, war für das Römische
Reich verloren. Blieben Spanien und Gallien, in denen Aetius mit fester Hand vorerst noch die Auflösung aufhalten konnte.
Dabei machte man ihm vom Kaiserhof her Schwierigkeiten, wo es nur ging. Das änderte sich auch nicht, als Galla Placidias Sohn
437, nun volljährig, die lange geplante Heirat mit Licinia Eudoxia, der Tochter des oströmischen Kaisers Theodosius II., feierte
und als Valentinian III. die Regierung übernahm. Galla Placidia mischte weiter mit. Ein Zeugnis dafür ist die »Chronica Gallica«,
eine zeitgenössische Quelle, die Valentinians Regierungszeit erst mit dem Jahr 450, dem Todesjahr seiner Mutter, beginnen
lässt.
Galla Placidia nahm Anteil an kirchlichen Fragen, mit Papst Leo I. dem Großen, der 440 auf den Stuhl Petri gelangte, pflegte
sie vertraulichen Umgang und unterstützte ihn in seinem Kampf gegen die Sekten der Manichäer, der Pelagianer und anderer.
Ebenso lag ihr der Bau neuer Gotteshäuser, vor allem in Ravenna, am Herzen. »In diesen Gründungen der Pietät spricht sich
der tiefreligiöse Sinn der merkwürdigen Frau aus und auch die Schwermut ihrer Seele«, sagt Ferdinand Gregorovius. Daneben
machte sich die Herrscherin um die Gesetzgebung verdient. Es gab bis zu dieser Zeit keine aktuellen Zusammenstellungen, seit
den Sammlungen Diokletians war mehr als ein Jahrhundert vergangen. Die Kaiser behandelten die Fälle, die ihnen vorgetragen
wurden, mit Antwortbriefen, den so genannten Reskripten, die dann schlecht und recht als Grundlage weiterer Entscheidungen
herangezogen wurden. Galla Placidia veranlasste nun im Jahr 426 das so genannte Zitiergesetz, das eine erste systematische
Rechtssprechung ermöglichte. Galla Placidias Reform legte fest, welche Rechtsgelehrten mit ihren Schriften künftig heranzuziehen
seien und welche nicht. Höchste Priorität bei Zweifelsfällen sollten die Werke des Papinian (um 150–212) haben. Das System
war noch rudimentär, aber darauf konnten die Sammlungen aufbauen, die die Kaiser später in Konstantinopel herausgaben: der
»Codex Theodosianus« von 438 und das berühmte »Corpus Juris Civilis« Justinians von 534.
Mochte Kaiser Valentinian unter der Fuchtel seiner Mutter stehen, dem Einfluss seiner Schwester Honoria aber wusste er sich
zu entziehen, dazu reichte seine Kraft aus. Die junge Frau, die gleich ihrer Mutter aktiv am politischen Leben teilhaben wollte,
fand keine
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