Frauen, die Geschichte machten
Gelegenheit dazu. Eine Ehe wurde ihr nicht gestattet, etwaige Nachkommen hätten die Nachfolgeplanungen ihres Bruders |48| gestört. Man stellte ihr einen Palast in Ravenna mit einem eigenen Haushalt zur Verfügung. Schließlich wurde Honoria doch
verheiratet, mit einem einfachen Mann, von dem bekannt war, dass er nicht die geringsten politischen Ambitionen hegte. Um
der widrigen Ehe zu entgehen, kam Honoria auf den irrwitzigen Gedanken, den Hunnenkönig Attila als Retter in der Not anzurufen.
Sie schickte ihren Vertrauten, den Eunuchen Hyacinthus, mit einem Ring als Zeichen für die Ernsthaftigkeit ihrer Botschaft
zu Attila. Die Mission wurde am Kaiserhof ruchbar. Bei seiner Rückkehr wurde der Bote gefasst und unter der Folter verhört.
Kaiser Valentinian verlangte auf der Stelle das Todesurteil für seine Schwester. Da griff Galla Placidia noch einmal ein.
Sie nahm Honoria in Schutz und setzte durch, dass nicht mehr als ein Hausarrest gegen sie verhängt wurde. Danach verschwindet
sie aus den Quellen, möglicherweise hat ihr rachsüchtiger Bruder sie nach Galla Placidias Tod doch noch umbringen lassen.
Die Kaiserin starb, 61 Jahre alt, am 27. November 450 in Rom und wurde dort auch in St. Peter beigesetzt. Die Erinnerung an
sie wird aber in Ravenna aufrechterhalten. Galla Placidia ließ sich dort eine Kapelle errichten, die zugleich ihr Mausoleum
sein sollte. Im früheren Palastbezirk gelegen, Anbau an die Kirche Santa Croce, von der wie von den Palästen der Kaiserzeit
fast nichts mehr übrig ist, blieb die Kapelle doch über die Zeiten erhalten. Drei mächtige Sarkophage stehen in ihrem Inneren.
Angeblich sollen in den Steinbehältern die Überreste Galla Placidias, ihres zweiten Ehemannes Constantius und der Tochter
Honoria liegen – das ist aber wohl ebenso erfunden wie auch die Geschichte, dass sich die Kaiserin als Mumie in dem größten
der drei Sarkophage erhalten habe und erst im Jahr 1557, als spielende Kinder eine brennende Kerze durch eine Öffnung geschoben
hätten, in Flammen aufgegangen sei.
Durch die Mosaiken an den Wänden und in der Kuppel der kleinen Kirche, ist die Welt, die die Kaiserin umgab, lebendig geblieben.
Es ist die Welt der Spätantike, die christliche Vorstellungen harmonisch mit antiken Traditionen vereinigte, am eindrucksvollsten
dokumentiert im Bild des Guten Hirten: Der Erlöser ist weder als Triumphator noch als Schmerzensmann dargestellt, sondern
als junger, schöner Apoll. Auch heutigen Besuchern mag beim Betreten des Raumes aufgehen, was der bereits zitierte Ferdinand
Gregorovius 1863 in seinem Aufsatz über Ravenna (später Teil des Sammelwerks »Wanderjahre in Italien«) festhielt: »So ist
die Geschichte des Unterganges der Familie des Theodosius zugleich die vom Fall des Römischen Reiches und das Grabmal der
Placidia, eines der merkwürdigsten Monumente der Welt, gleichsam das Mausoleum des Römischen Reiches der alten Imperatoren.«
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Chrodechilde
Die erste Königin des Frankenreichs
|50| Der Übertritt des Frankenkönigs Chlodwig I. vom Heidentum zum christlichen Glauben, vollzogen zu Weihnachten in einem nicht
klar bestimmbaren Jahr zwischen 497 und 499 oder auch erst 506, war eines der folgenreichsten Ereignisse der Weltgeschichte,
darin sind sich die Historiker einig. Der Fürst aus dem Geschlecht der Merowinger war bis dahin noch einer unter vielen anderen
germanischen Herrschern, die in der Zeit der Völkerwanderung auf dem Boden des früheren Römischen Reiches Staaten errichteten.
Mit der Taufe rückte er in eine Position, die ihm Möglichkeiten bot, die den anderen Herrschern verschlossen blieben. Die
Gründungen der Wandalen in Nordafrika, der Westgoten auf der Iberischen Halbinsel, der Ostgoten und Langobarden in Italien
zerfielen alle wieder. Das Fränkische Reich dagegen wuchs unter Chlodwig und seinen Nachfolgern über Jahrhunderte stetig an.
Unter den Karolingern schließlich, die die Merowinger beerbten, erstreckte sich das Fränkische Reich vom Ebro bis zur Elbe,
von der Bretagne bis nach Ungarn und von Holstein bis nach Mittelitalien. Und selbst nach den vielen Teilungen im 9. und 10.
Jahrhundert blieben lebensfähige Großstaaten, Frankreich und Deutschland, übrig.
Der Grund für die enorme Stetigkeit und Standfestigkeit des Fränkischen Reiches lag im Bündnis mit der römischen Kirche. Denn
Chlodwig trat nicht einfach nur zum Christentum über, sondern zum
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