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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Barth
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d’Orléans« des Aufklärers geht es ausschließlich um die Angriffe auf Johannas Jungfräulichkeit.
     Noch weniger wusste man in der Zeit der Französischen Revolution mit dem Mädchen anzufangen, das das Königtum »gerettet« hatte.
     Und Schillers romantische Deutung in seinem Drama »Die Jungfrau von Orléans« (1801) fand in Frankreich wenig Resonanz. Erst
     Napoleon machte im Kampf gegen die Engländer auf Jeanne d’Arc als Patriotin und Verkörperung des
génie français
aufmerksam. Zur eigentlichen Ausbildung des Mythos Jeanne d’Arc kam es in der Restauration der Monarchie nach 1815. Die Jungfrau
     stellte die Einheit zwischen dem modernen, von der Revolution geprägten Begriff der Nation und dem traditionellen Königtum
     her. Der Historiker Jules Michelet feierte sie in seiner »Geschichte Frankreichs« (1840) als Märtyrerin der Tat und als Heilige
     nach der Auffassung der Religion und des Vaterlandes. 1841–49 erschien die erste vollständige Ausgabe der Prozessakten. Durch
     den deutsch-französischen Krieg 1870/71 bekam die Verehrung Johannas einen neuen bedeutsamen Impuls. Das Bauernmädchen aus
     Lothringen wurde zum Symbol des französischen Volkes schlechthin, das Revanche für seine Niederlage |105| wollte. Überall wurden Denkmäler zu Ehren der Jungfrau errichtet, im Jahr 1910 soll ihre Zahl bereits 20   000 betragen haben.
    Ihre »weltlichen« Leistungen, die Schlachtensiege, spielten bei der Verehrung ihrer Person die Hauptrolle. Die göttliche Inspiration,
     auf die sich die Jungfrau berufen hatte, wurde übergangen oder als psychisches Phänomen gedeutet. Das rief die Kirche auf
     den Plan, die die »metaphysische« Bedeutung Johannas keineswegs geschmälert haben wollte. Wiederum ausgehend von Orléans,
     diesmal von seinen Bischöfen, machte sich ein Kreis für die Heiligsprechung Johannas stark. Das Papsttum reagierte; 1894 begann
     der formale Kanonisationsprozess, 1909 wurde die Jungfrau selig, 1920 schließlich heilig gesprochen.
    »Saint Joan«, die heilige Johanna, konnte danach Shaw sein Theaterstück von 1924 mit Fug und Recht nennen. Andere Dramatiker
     nahmen sich des Stoffes an: Bertolt Brecht (»Die heilige Johanna der Schlachthöfe«, 1931, »Der Prozess der Jeanne d’Arc zu
     Rouen 1431«, 1952), Paul Claudel (»Johanna auf dem Scheiterhaufen«, 1939), Jean Anouilh (»Johanna oder die Lerche«, 1953).
     Und bis in unsere Tage beweisen die Filme, welche Faszination von der historischen Person Jeanne d’Arc ausgeht, dem Mädchen,
     das Männern die Angst nehmen konnte.

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    |107|
Margarete von Österreich
    „Ich lege Euch vor allem den Frieden ans Herz“

    |108| »FORTUNE INFORTUNE FORTUNE« – vieldeutige Wahlsprüche waren Mode bei den hohen Herrschaften im Herbst des Mittelalters. Dieser
     gehört allerdings zu den besonders rätselhaften und wurde entsprechend häufig interpretiert. Einfach übersetzt bedeutet er
     »Glück Unglück Glück«. Wobei der Leser oder Hörer Satzzeichen selbst setzen oder auch Wörter ergänzen mag. Solche Sprüche
     wurden von den Trägern selbst gewählt oder ihnen von anderen als Losung für die Zukunft mit auf den Weg gegeben. Ihre Interpretation
     hängt davon ab, ob man sie danach befragt, wohin sie weisen sollten, oder ob man sie im Rückblick auf den dann tatsächlich
     absolvierten Lebensweg abklopft. Im Nachhinein gewinnt ein solcher Slogan andere Bedeutung als in der Funktion als vorangestelltes
     Lebensmotto.
    Vielleicht hat die junge Frau, der dieser Spruch zugetan war, ihn so verstanden: »Mach dich gefasst auf Höhen und Tiefen.«
     Uns mag heute erstaunen, dass sich diese Losung ausgerechnet Margarete zu eigen machte, Tochter Kaiser Maximilians I. und
     der schwerreichen Maria von Burgund. Was sollte einer so vermögenden Dame schon an Unglück zustoßen, von Krankheiten und anderen
     Unwägbarkeiten einmal abgesehen? Doch da täuscht unsere Perspektive. Vor den vielfältigen Gefahren schützten allerhöchste
     Herkunft und Stellung keineswegs, ja die Position brachte Prüfungen mit sich, wie sie »Normalsterblichen« gewöhnlich erspart
     blieben.
    Das ging schon in den Kinderschuhen und noch früher los, selbst Ungeborene nämlich gehörten bereits zur dynastischen Manövriermasse.
     Die Habsburger, Herren Österreichs und Träger der Krone des Heiligen Römischen Reiches, hatten sich auf diesem Gebiet immer
     schon als unübertreffliche Kuppler erwiesen. Der künftige Chef des Hauses und Thronfolger, eben

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