Frauen, die Geschichte machten
zunächst nur mit amüsiertem Lächeln. Wenig Anklang aber fand ihr Treiben verständlicherweise
bei dessen offizieller Herzdame, die sich schließlich derart provoziert fühlte, dass sie der ungebetenen »Jägerin« mitteilen
ließ, ihr Erscheinen sei nicht erwünscht. Das hätte eigentlich das Aus für ihr Vorhaben bedeuten müssen, denn gegen solche
Weisungen zu verstoßen, war nicht geraten. Lange aber musste die Étioles nicht warten, denn völlig unerwartet starb die Herzogin
von Châteauroux im Dezember 1744, gerade einmal 27 Jahre alt; Gerüchte, dass jemand »nachgeholfen« habe, gingen um. Jeanne-Antoinette
kümmerte das nicht, sie interessierte nur die neue Chance.
Auf einem Maskenball im Februar, der aus Anlass der Hochzeit des Thronfolgers veranstaltet wurde und auch für wohlhabende
Bürger zugänglich war, nutzte sie die Gelegenheit. In der Kostümierung als Domino konnte sie sich ohne viel Umstände dem König
nähern. Sie verwickelte ihn in allerlei Neckereien, spielte raffiniert ihre Tanzkünste aus und gestattete schließlich einen
kurzen Blick unter ihre Maske, wobei sie ihr Taschentuch fallen ließ. Während der König sich danach bückte, entschwand sie
rasch. Ludwig XV. warf ihr daraufhin das Tüchlein hinterher. Damit waren die Freundschaftsbande vor aller Augen eröffnet.
Kurz darauf wurde sie zu einem Abendessen in die königlichen Gemächer gebeten. Es folgten noch viele Abendessen und bald natürlich
weit mehr als Tafelfreuden. Der König erlag den Reizen der Étioles völlig und er sorgte für die Verbannung des Ehemannes in
die Provinz, nachdem ihm Jeanne-Antoinette dramatisch dessen Eifersuchtsanfälle geschildert hatte. Ludwig ließ ihr obendrein
Räume im Versailler Schloss anweisen, wo seine neue Liebe in Ruhe auf |160| ihn warten konnte, bis er von einem bald darauf folgenden Feldzug zurückgekehrt sein würde.
Dieses retardierende Moment erwies sich als zusätzlicher Trumpf für die kühl kalkulierende Jeanne-Antoinette. Die Trennung
nämlich brachte ihr eine Briefflut aus dem königlichen Hauptquartier ein, sodass sie Ludwigs Zuneigung schriftlich hatte und
zudem eine ganz besondere Nachricht erhielt: In seiner Verliebtheit ernannte sie der König zur Marquise de Pompadour, einer
erst kürzlich erledigten und an die Krone gefallenen Herrschaft im Limousin. Das war der erste Schritt zur offiziellen Erhebung
zur neuen Favoritin und erklärten Mätresse des Königs. Alle Einwände aus höfischen Kreisen, nach denen einer Bürgerlichen
diese »Ehre« nicht zustehe, und alle moralisch-religiösen Bedenken seitens der Kirche in Bezug auf eine Frau, die eher durch
Freigeisterei als durch Frömmigkeit aufgefallen war, hatte Ludwig in seiner Glut weggewischt. Moralische Vorbehalte spielten
beim König ohnedies keine Rolle.
Nach seiner Rückkehr nahmen die Dinge dann auch den von Jeanne-Antoinette erhofften Verlauf: Am 14. September 1745 wurde sie
offiziell bei Hofe vorgestellt. Es folgte der schwerste Teil der Zeremonie: der Besuch bei Königin Maria Leszczynska, die
das Verhältnis ihres Mannes pro forma genehmigen musste. Der Gang war ein Spießrutenlaufen durch das »Spalier der Höflinge«
und endete gewöhnlich mit dem Austausch von Floskeln mit der Königin. Zum Erstaunen aller hatte die Pompadour die Gnade der
Königin gefunden, die ihr sogar ein paar freundliche Worte schenkte. Die Marquise, die mit giftigen Anspielungen oder bestenfalls
nichts sagenden Höflichkeiten gerechnet hatte, war tief gerührt und hauchte: »Ich habe, Madame, den leidenschaftlichen Wunsch,
Ihnen zu gefallen.« Der Gunstbeweis der Königin festigte die Stellung der Favoritin nachhaltig und brachte die Tuschler und
Neiderinnen wenigstens vorübergehend zum Schweigen.
Gesichert war ihre Position damit aber noch lange nicht, ja eigentlich musste sie zeitlebens Ungnade fürchten, weil sie bei
aller äußerlichen Makellosigkeit einen Makel nicht wegschminken konnte: den ihrer bürgerlichen Geburt. Der wurde ihr nicht
selten vorgehalten und gegen sie instrumentalisiert. Ein wenig wettzumachen vermochte sie ihn allerdings mit ihrem überragenden
Talent, sich Freunde unter den Feinden zu machen. So gelang es ihr immer wieder, ihre Hausmacht bei Hofe zu stärken, und das
auch bei Abwesenheit des Königs. Das Verhältnis bedurfte aufwändiger Pflege. Der stets etwas gelangweilte Monarch musste unterhalten
werden, und darin entwickelte seine Favoritin
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