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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Barth
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angestammten hohen Herrschaften.
    Und sie veranstaltete auf den Landsitzen, in den Schlössern, Palästen und Parks unermüdlich Redouten und Bälle, Gastmahle
     und Theateraufführungen. Trotz allem ließ es sich immer weniger verhehlen, dass der König seine Blicke zunehmend zu jüngerer
     Weiblichkeit schweifen ließ. Ihr durch die unermüdlichen Anstrengungen, durch Diäten oder ausschweifende Genüsse vor der Zeit
     gealterter Körper würde bald ganz seine Reize für den hohen Herrn verlieren. Da das unausweichlich so kommen würde, ergriff
     die Pompadour die Flucht nach vorn. Musste sie Ludwig schon die Freiheit der Sinne wiedergeben, dann zu ihren Bedingungen
     und unter ihrer Kontrolle. Sie sah sich nach jungen Schönheiten für ihn um, die aber unbedeutend genug waren, ihre Stellung
     als Favoritin nicht zu gefährden.
    Untergebracht wurden die jungen Damen in seinem Haus im Hirschpark, das deswegen allgemein
Le Trébuchet
– die Vogelfalle hieß. Die Mädchen, manche kaum 14 Jahre alt, wurden im Unklaren über die Identität ihres »Besuchers« gelassen.
     Nur in wenigen Fällen kam heraus, dass es sich um den König handelte. Dann sorgte die Pompadour für baldige Ablösung und für
     Ruhigstellung der entsprechenden Dame. Wechsel trat auch deswegen oft ein, weil sich Schwangerschaften nicht vermeiden ließen.
     In solchen Fällen brachte man die werdenden Mütter in ein Haus in der Pariser Avenue de Saint-Cloud, wo die Entbindung stattfand.
     Das Kind erhielt einen guten Namen, als Vater wurde ein Strohmann eingetragen. Zudem bekam es eine Rente und die Mutter eine
     Mitgift, die ihr eine Verheiratung in der Provinz ermöglichen sollte. Im Bannkreis des Hofes durfte sie nicht wieder auftauchen.
     Die Favoritin hatte eine neue Aufgabe gefunden.
    Das hielt sie in der Gunst des Königs und bewahrte ihr die Möglichkeit, sich höheren Aufgaben zuzuwenden. Um auch geistigen
     Ruhm zu erwerben, machte sie sich einen Namen als Förderin von Kunst und Wissenschaft. Zu ihren |163| Schützlingen zählte alles, was Rang und Namen in ihrer Epoche hatte, zuvörderst die Philosophen und Literaten Montesquieu,
     Voltaire und Rousseau, aber auch die Enzyklopädisten d’Alembert und Diderot. Deren umfangreichem Werk drohte der königliche
     Bannstrahl, weil allzu helle Aufklärung im Feudalstaat Unruhe heraufbeschwören könnte. Eine von Voltaire überlieferte Anekdote
     schildert, wie es der Pompadour angeblich gelungen ist, das endgültige Verbot der Enzyklopädie zu verhindern:
    Bei einer der Soireen kam das Gespräch im Beisein Ludwigs auf das Schießpulver. Ein Adliger spottete, man schieße so gern
     Wild und lasse sich notfalls im Krieg für den König erschießen. Man wisse aber nicht, womit; jedenfalls könne er nicht erklären,
     woraus das dazu verwendete Pulver bestehe und warum es so und nicht anders wirke. Die Pompadour stimmte in den Seufzer ein
     und bedauerte, dass sie nicht einmal angeben könne, aus welchen Stoffen das Rouge gewonnen werde, das sie auftrage, und wie
     die Seidenstrümpfe gefertigt würden, die erst das reizende Bein machten. Der König müsse das alles aber wissen, denn er habe
     die Enzyklopädie beschlagnahmen lassen, damit er als einziger in seinem Reich als Gelehrter gelten könne. Ludwig lachte, ließ
     Diener ein Exemplar des vielbändigen Werks herbeitragen, und im Nu waren alle Fragen geklärt. Da mochte er nicht länger auf
     dem Verbot beharren, ja er gewährte den Herausgebern auf Bitten der Pompadour sogar eine Pension für ihre Verdienste.
    Vom Liebesdienst befreit und doch ihrer Stellung sicherer denn je, wandte sich die Marquise der Politik zu in der Absicht,
     sich ein noch dauerhafteres Denkmal zu setzen. Die Gelegenheit war günstig, denn die Mächtekonstellation in Europa war durch
     das aufstrebende Preußen Friedrichs II. in Bewegung geraten. Auch die englischen Erfolge in Übersee auf Kosten Frankreichs
     hatten die Machtbalance verschoben. Da ihre Vorgängerin, die Herzogin von Châteauroux, immer eine Verfechterin der Allianz
     mit Preußen gegen Österreich gewesen war, bestand die einfachste Möglichkeit zur Profilierung in der Umkehr der Bündnisse.
     Die Favoritin hatte sich damit allerdings etwas vorgenommen, gegen das es mächtige traditionelle Widerstände gab. Seit Jahrhunderten
     war es Prinzip der französischen Politik, für die Eindämmung der Macht des Habsburgerreiches zu sorgen. Die Erfolge ließen
     eine Fortsetzung des Kurses geraten

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