Frauen, die Geschichte machten
pubertierenden Ehemann übergeben. Der Student
Goethe erlebte die Ankunft der Braut vor Ort und berichtete darüber in seiner Autobiographie »Dichtung und Wahrheit«: »Der
schönen und vornehmen, so heitern als imposanten Miene dieser jungen Dame erinnere ich mich noch recht wohl. Sie schien in
ihrem Glaswagen, uns allen vollkommen sichtbar, mit ihren Begleiterinnen in vertraulicher Unterhaltung über die Menge, die
ihrem Zug entgegenströmte, zu scherzen.« Der Saal des Zusammentreffens der beiden war mit Wandteppichen behängt, auf denen
Szenen aus der Medea-Sage zu sehen waren, eine blutige Angelegenheit und ein wenig verheißungsvolles Vorzeichen.
|155| Marie Antoinette erwies sich als eine höchst leichtfertige Person und zeigte politisch nur wenig Fingerspitzengefühl. Maria
Theresia schrieb immer wieder sorgenvoll nach Versailles und warnte ihre Tochter vor Verschwendungssucht: »Sie haben sich
anfangs Respekt zu verschaffen gewusst; verlieren Sie ihn nicht durch Ihren Leichtsinn! Man kennt die mäßige Lebensart des
Königs, und infolgedessen würde man alle Schuld Ihnen aufbürden, und das möchte ich nicht erleben!«
Es blieb ihr erspart, das Ende ihrer Tochter auf der Guillotine zu erleben. Andere Probleme mit ihren Kindern, genauer mit
ihrem ältesten Sohn, belasteten hingegen die restlichen Regierungsjahre nicht unerheblich. Maria Theresia liebte ihren Sohn
Joseph, hielt ihn für durchaus begabt, doch konnte sie ihn nicht recht loslassen. Die Mitregentschaft beschränkte sie, was
die habsburgischen Länder anging, ziemlich strikt. Militär und Außenpolitisches vertraute sie ihm nur unter ihrer scharfen
Beobachtung an. Ihr war sein forsches Vorgehen verdächtig und sie argwöhnte stets, er könne damit den ihr inzwischen heiligen
Frieden gefährden. Dass sich Joseph zweimal mit ihrem alten Feind Friedrich II. traf, den er offen bewunderte, mochte sie
noch hinnehmen, doch dass dem Sohn der ererbte habsburgische Mantel offenbar zu eng war, bereitete ihr Kummer. 1772 aber musste
sie sich zum ersten Mal beugen.
Die Spannungen zwischen Preußen, Österreich und Russland waren wieder aufgebrochen, und Maria Theresia fürchtete um den Frieden.
Da wurde von russischer Seite die Idee geboren, Polen unter den drei Großmächten aufzuteilen. Für die Wiener Herrscherin eigentlich
ein unerträglicher Gedanke, weil er zynisch mit dem angeblichen Recht des Stärkeren operierte. Andererseits war das Vorhaben
geeignet, die Großmächte zu beschäftigen und die Ruhmsucht des Sohnes wenigstens zeitweilig zu befriedigen. Schweren Herzens
willigte Maria Theresia daher ein und begab sich damit auf die gleiche machtpolitische Stufe wie das »Ungeheuer«, eines ihrer
Lieblingsschimpfworte für Friedrich den Großen.
Ihr Sohn war nur vorübergehend zufrieden mit dem Erreichten und richtete begehrlich seine Blicke auf bayerische Gebiete, die
das österreichische Kernland so vortrefflich abrunden würden. Der bayerische Kurfürst nämlich war im Dezember 1777 gestorben
und sein Nachfolger, der Pfälzer Kurfürst Karl Theodor, zeigte sich an Bayern nicht sonderlich interessiert. Er trat dem Kaiser
einige Gebiete ab, die Joseph sogleich annektierte. Das rief ausgerechnet Friedrich den Großen auf den Plan, der eine Machtverschiebung
zugunsten Habsburgs nicht hinnehmen wollte. Maria Theresia flehte den Sohn vergeblich an, nachzugeben, und so kam es zu einer
absurden Frontstellung: Joseph pochte auf seine höchst dünn begründeten bayerischen Ansprüche, die Mutter verhandelte derweil
unter der Hand mit dem alten Widersacher Friedrich. Trotz allem brach der Krieg aus, den so recht niemand haben wollte. Es
blieb bei einem »Kartoffelkrieg«, |156| denn er brachte außer Schwierigkeiten bei der Versorgung der Truppen keine Entscheidung. Beide Parteien mussten nachgeben,
und außer dem Innviertel blieb Joseph nichts vom erhofften bayerischen Zugewinn. Friedrich II. unterschrieb den Friedensvertrag
am 13. Mai 1779, dem Geburtstag Maria Theresias – eine rührende Geste von Größe.
Maria Theresia empfand sie als Krönung ihrer vierzig Jahre währenden Regierungszeit. Ihre Kräfte schwanden nun rasch. Rheuma
und Asthma quälten sie. Dennoch ritt sie im Herbst 1780 wie gewohnt aus, erkältete sich dabei und beschleunigte so das Ende.
Noch einmal versammelten sich alle in Wien weilenden Angehörigen um sie. Der untröstliche Joseph sprach lange allein mit ihr
und war
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