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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Barth
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Während sich die aufgeklärten Monarchien Europas inzwischen vielfältig
     gebunden und eingeschränkt wussten, regierten russische Zaren noch als Autokraten, die ihre Macht schrankenlos nutzen durften.
     Aufgeklärte Monarchen konnten sie sich kaum nennen, allenfalls aufgeklärte Despoten.
    Die Geschichte hatte Beispiele für die russische »Selbstherrschaft« geliefert, etwa Iwan IV. (1533–1584), genannt
Grosny
(ins Deutsche übersetzt mit »der Schreckliche«, eigentlich »der furchtgebietend Strenge«), der den hohen Adel, die Bojaren,
     mit Enteignungen, Hinrichtungen und Deportationen verfolgte und in den Landesteilen, die nur dem Zaren unterstanden (
Opritschnina
) die reinste Willkürherrschaft übte und schließlich ganze Stadtbevölkerungen ausrottete.
    In Peter I. dem Großen (1689–1725) war das Prinzip des »Selbstherrschers« zu ganz besonderer Ausprägung gekommen. Mit tyrannischer
     Energie ging der Zar daran, den Anschluss seines Landes an Europa zu vollziehen. Sein Reformwille war radikal, er bekämpfte
     die altrussischen Traditionen und brach rücksichtslos jeden Widerstand. Selbst seinen eigenen Sohn ließ er im Gefängnis sterben.
     Zwar hatte Russland die mit Gewalt durchgesetzte Annäherung an Europa vollzogen, das Volk aber ließ sich von der »Revolution
     von oben« kaum beeinflussen. Der Weg zur Großmacht war eingeschlagen, mit den Siegen, die Peter gegen Karl XII. von Schweden
     errungen hatte, meldete Russland deutlich seinen Anspruch auf die Vorherrschaft im Ostseeraum an.
    Mit Katharina II. der Großen, die 37 Jahre nach dem Tod Peters des Großen den Thron bestieg, erschien abermals eine klassische
     Autokratin, wenn auch ohne die Zügellosigkeiten und die Brutalität, die frühere Inhaber des Zarenthrones ausgezeichnet hatten.
    |167| Frauen an der Spitze des russischen Staates waren nichts Ungewöhnliches mehr, es gab Vorgängerinnen. Die Reihe begann mit
     Peters Witwe Katharina I., einer ehemaligen Magd aus Litauen. Peter hatte, auch darin ganz der unbeschränkte Souverän, im
     Jahre 1722 eine Verordnung erlassen, nach der Russlands Herr seinen Nachfolger selbst bestimmen könnte. Er hatte jedoch für
     sich gar keinen Gebrauch davon gemacht. Ein Teil des Adels wollte Peters Enkel, den zehnjährigen Peter Alexejewitsch zum Zaren
     erheben. Dem kam ein Militärputsch der Anhänger Katharinas zuvor. Die Witwe, zumeist betrunken, regierte – oder besser gesagt
     ließ ihren Günstling Menschikow regieren, allerdings nur zwei Jahre. Dann starb auch sie, und es folgte der unmündige Enkel
     Peter II. Er erreichte nicht einmal die Volljährigkeit, 1730 starb er an den Pocken. Da das bisher regierende Haus Romanow
     überhaupt keine männlichen Thronfolger mehr stellen konnte, hielt man Ausschau nach einer weiblichen Regentin. Die Wahl fiel
     auf die Nichte Peters des Großen, Anna Iwanowna, die aus Kurland (Lettland) stammte. In ihrem Gefolge erschienen zahlreiche
     Führungskräfte aus dem deutsch-baltischen Adel, die nun in Russland den Ton angaben.
    Anna Iwanowna hatte keine Kinder. Als sie 1740 starb, sollte nach ihrem Willen ihr Großneffe Iwan Antonowitsch, der Sohn des
     Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel, Zar werden. Den nationalbewussten Adligen und Offizieren war der Einfluss Deutschlands
     auf den russischen Staatsapparat zu groß; sie inszenierten abermals einen Militärputsch, der Elisabeth Petrowna, eine Tochter
     Peters des Großen, auf den Thron brachte. Sie ließ Iwan mitsamt seinen Eltern (der »Zar« war gerade ein Jahr alt!) in Haft
     nehmen, aus der sie nie herauskommen sollten.
    Elisabeth I. regierte von 1741 bis 1762. Sie war eitel und prunksüchtig und wechselte häufig ihre Liebhaber, ihrem Ansehen
     beim Volk aber tat das keinen Abbruch. Als Nachfolger hatte Elisabeth ihren Neffen Karl Peter Ulrich, den 1728 geborenen Sohn
     des Herzogs von Holstein-Gottorf, ausersehen. Wieder ein Deutscher, das war mehr oder weniger Tradition im Hause Romanow,
     wenn auch ansonsten unter Elisabeths Herrschaft die Deutschen nicht mehr so stark zum Zuge kamen. Aber zum Haus Holstein-Gottorf
     gab es vielfältige Beziehungen, und besagter Karl Peter Ulrich war auch ein Enkel Peters des Großen. Mit ihm als designiertem
     Zaren konnte sich Elisabeth I. ein uneingeschränktes und gesichertes Agieren ausrechnen. Alsbald begann die Suche nach einer
     passenden Braut. Wiederum kam nur der ausländische Hochadel in Betracht. Königstöchter aus verschiedenen Dynastien

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