Frauen rächen besser: Roman (German Edition)
untergehender Sonne den Schattenriss eines Maggi-Fläschens produzieren.
Was ich damit sagen will?
Also, zum Mitrechnen: Siebzig Kilo minus gebärfreudiges Becken macht, sagen wir, achtundsechzig. Dazu Körbchengröße D im Vergleich zu B, das sind dann noch einmal zwei Kilo. Mindestens. Bleiben sechsundsechzig. Jetzt noch die breiteren Schultern – und auch langes Haar ist nicht gewichtslos –, damit kommen wir schon auf vierundsechzig. Höchstens.
Und jetzt mal ganz ehrlich: Mit vierundsechzig Kilo bei eins zweiundsiebzig ist man doch nicht fett, oder? Ganz im Gegenteil, neidlose Zeitgenossen hätten eigentlich allen Grund, mir zu meiner Disziplin zu gratulieren, finde ich.
Leider hilft einem die eigene Überzeugung nicht immer weiter. Tatsache ist zum Beispiel, dass ich Roxie zu dünn finde. Die ist ein paar Zentimeter größer als ich und wiegt unter sechzig Kilo. Und hat null Titten. An der ist wirklich nicht viel dran, und wäre ich ein Kerl, hätte ich Angst, mir beim Nahkampf blaue Flecken zu holen. Da ist mir mein Körper – mit der ganzen Sonderausstattung – allemal lieber.
Das Problem daran ist nur, dass man in dem Moment, in dem man mit jemandem wie Roxie zusammen ist – vor allem im Bikini und vor Publikum –, plötzlich nicht mehr denkt: Die ist zu dünn, sondern: Mensch, ich bin zu fett!
Das ist, als würde jemand einen Schalter umlegen, und das bisschen Selbstvertrauen, das man seit der letzten Begegnung mühsam aufgebaut hat, verflüchtigt sich in Sekundenschnelle. Am meisten hasse ich es, wenn so ein wandelndes Gerippe dann versucht, einem Honig ums Maul zu schmieren: »Worüber beschwerst du dich denn? Du hast doch große Brüste.«
Als ob das ein Vorteil wäre!
Hiermit sei jedem, der frontseitig mit weniger als Körbchengröße C durchs Leben läuft, mitgeteilt, wie es sich in Wirklichkeit verhält: Große Brüste sind manchmal ein Segen, meistens aber ein Fluch.
Das beginnt schon in der Pubertät, wenn du zum ersten Mal bemerkst, dass du allmählich kopflastiger wirst als die anderen Mädchen in deiner Klasse. Da geht plötzlich rundherum ein Getuschel los, vor allem bei den Jungs. Und nicht, dass du glaubst, einer von denen hätte den Anstand, dir zu sagen: »Wir lachen dich gar nicht aus, Heike, wir kichern nur, weil du die Einzige in der Klasse bist, die schon richtige Titten hat.«
Und später, wenn du eigentlich schon kapieren solltest, dass die darauf stehen, ist es bereits zu spät. Da sitzt in deinem Hirn ein kleiner Kobold, der nicht müde wird, dir einzureden: »Du hast da so ein Ding wie Quasimodo, nur vornherum.«
Der Einzige, der damals menschliche Größe bewies, war Herr Meifart, der Turnlehrer der Parallelklasse, der manchmal bei uns Mädchen aushalf. Der war schon an die sechzig und verfügte über genügend Lebenserfahrung, um zu wissen, dass ich seelischen Beistand benötigte. Den gab er mir dann auch, indem er meine unaufhörlich wachsenden weiblichen Attribute mit wohlwollenden Blicken zur Kenntnis nahm, und von da an durfte ich auch viel länger auf dem großen Trampolin springen als alle anderen.
Aber würde ich jetzt behaupten, ein großer Busen brächte nur Negatives mit sich, dann wäre das auch wieder nur die halbe Wahrheit. Nach der Pubertät kommt nämlich etwas, das man die Phase der Versöhnung nennen könnte. Man merkt plötzlich, dass die anderen Mädchen unter ihren kleinen Busen noch mehr leiden als du unter deinem großen, und plötzlich wird man auch für die Jungs interessant. Damit meine ich jetzt nicht die kindischen Rüpel aus der eigenen Klasse, sondern die wirklich guten Typen aus der Oberstufe. Die haben dann schon einen Führerschein, und auch themenmäßig hängen die nicht mehr bei Comic-Heften fest oder daran, wer die meisten Haare an seinem Pimmelchen hat. Mit denen kann man schon richtige Erwachsenengespräche führen – über coole Musik oder über eine neue In-Disco zum Beispiel, oder wie man sich am besten einen Joint reinzieht.
Auf einmal muss man seine Getränke nicht mehr selbst bezahlen, die Türsteher vor den angesagten Lokalen mutieren von Feinden zu Freunden, und auch deinen Ausweis musst du jetzt nicht mehr fälschen. Das ist eine Zeit, die sollte man wirklich genießen, denn die Ungetrübtheit dieser Freude ist nur von kurzer Dauer.
Kaum hast du nämlich Gefallen an deinen Brüsten gefunden, werden dir auch schon die Nachteile vor Augen geführt. Denn ab dem fünfundzwanzigsten Geburtstag kommt irgendwann der
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