Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
Leserinnen und Leser, die mit der deutschen Literatur nicht vertraut waren, stutzten bei der Vokabel nach wie vor. Klopstock? Eine polnische Leserin des Werthers , die Fürstin Lubomirska, schlug vergeblich in ihrem Wörterbuch nach, um dann von ihrem deutschen Koch dahingehend aufgeklärt zu werden, Klopstock sei eine Art von sehr delikatem Roastbeef, das auf gut Deutsch eigentlich Klopffleisch genannt werden müsse. Diese Anekdote erzählte die Fürstin ihrer deutschen Besucherin, der Schriftstellerin Elisa von der Recke, im November 1803; der 1724 geborene Klopstock war da gerade einige Monate tot, und Goethe hatte seine Jugendsünde längst bereut. In dem Maße, wie der Stern des Dichters mit den Jahrzehnten wieder sank, kam den Menschen die buchstäbliche Bedeutung seines Namens erneut in den Sinn. Heinrich Heine lässt 1844 in Deutschland, ein Wintermärchen die Hamburger Stadtgöttin Hammonia reimen: »Dort auf der Kommode steht noch jetzt / Die Büste von meinem Klopstock, / Jedoch seit Jahren dient sie mir / Nur noch als Haubenkopfstock.« Der einstige Dichter für junge Frauen war da nicht einmal mehr ein alter Hut, geschweige denn sein Name eine Losung für frisch Verliebte.
Mit dem Dichten begann Klopstock im Internat. Im streng geregelten Tagesablauf der Erziehungsanstalt war es ihm auch Ersatz für die fehlende körperliche Bewegung, die er, als Knabe auf dem Lande aufgewachsen und viel sich selbst überlassen, so geliebt hatte: durch die Gegend stromern, in Teichen baden, immer zu Waghalsigkeiten aufgelegt. Klopstocks Dichtung will laut gelesen, will vorgetragen sein; sie verschafft dem Geist und der Stimme Bewegung. Ihr Verfasser wie ihre Hörer streiften mit ihr die Zwänge institutionalisierter Gelehrsamkeit und auch die Konventionen bürgerlichen Wohlverhaltens ab. Das gilt gerade auch für sein Hauptwerk, den Messias , diese aus dem Geiste der Heldenepik geborene Feier der Erlösung der Menschheit, die Klopstock noch während seiner Internatszeit konzipierte. Drei Jahre später, da war Klopstock schon Theologiestudent in Leipzig, wurden die ersten drei Gesänge des Messias in den Neuen Beyträgen zum Vergnügen des Verstandes und des Witzes anonym veröffentlicht. Das zwanzig Gesänge umfassende Großepos mit über zwanzigtausend Versen beschäftigte Klopstock fünfundzwanzig Jahre lang und wurde eigentlich nie fertig; bis ins hohe Alter feilte er am Text und nahm Änderungen vor. Ihn interessierte weniger das Resultat als der Schaffensprozess selbst. Und der vollzog sich nicht in der Gelehrtenstube, sondern eigentlich ständig, insbesondere wenn er in irgendeiner Weise in Bewegung war: zu Pferde, zu Wagen, in Gesellschaft, beim geliebten Schlittschuhlaufen – einem damaligen Trendsport. Der Schwung, die schwebende Leichtigkeit und tänzerische Dynamik des Eislaufens haben sich in Metrum und Rhythmus seines Dichtens niedergeschlagen. Und so sollten seine Werke auch vom Publikum aufgenommen werden: nicht in beschaulicher, einsamer und stiller Lektüre, sondern in Gesellschaft, wenigstens zu zweit, gerne aber auch in Gruppen von Gleichgesinnten und -gestimmten, hörbar deklamierend, womöglich im Freien, im Auf-und-ab-Gehen.
Der in seine Cousine Marie verliebte jugendliche Klopstock machte selbst in seinem Messias wenig Unterschied zwischen der Liebe Gottes und der erotischen Liebe. Beides war ihm heilig und die Erwiderung der Liebe seitens eines Mädchens fast so etwas wie ein Gottesbeweis. Wen wundert es da, dass er in tiefe seelische Verzweiflung geriet, als er merken musste, dass seine wohlsituierte Cousine nicht nur die übliche weibliche Zögerlichkeit an den Tag legte, sondern den unbegüterten Poeten schlicht verschmähte. »Ach! gieb sie mir, die leicht zu geben, Gieb sie dem bebenden, bangenden Herzen«, flehte Klopstock daraufhin 1748 in einer langen Ode »An Gott«. Als die Ode drei Jahre später publiziert wurde, merkte der Aufklärer Gotthold Ephraim Lessing in einer Rezension dazu betont nüchtern an: »Was für eine Verwegenheit, so ernstlich um eine Frau zu bitten.«
Klopstocks Gefühl nach aber stand beinahe alles auf dem Spiel: nicht nur seine Liebesfähigkeit, sondern auch seine dichterische Berufung, an die er seine Existenz gebunden hatte. Der einflussreiche Literaturtheoretiker, Kritiker und Professor für Helvetische Geschichte Johann Jakob Bodmer, anfangs ein großer Förderer des Heißsporns Klopstock, erkannte den Ernst der Situation. Er ging so weit, in einem langen
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