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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit sich fort. Sie rannten im Schutz der tiefschwarzen Nacht an den Häusern entlang und erreichten am Dorfrand eine kleine Scheune. Lida stieß Ursbach hinein. Ein Streichholz flammte auf; sie zündete einen Kerzenstummel an, der auf einen Hackklotz geklebt war. Neben dem Klotz lag ein Haufen Kleidung und obenauf eine Schirmmütze, wie sie Arbeiter und Landleute tragen.
    Lida hatte beide Hände auf die Brust gepreßt und nickte zu den Sachen hin.
    »Zieh an! Schnell! Du mußt gehen immer am Fluß entlang nach Südwesten. Dann zum Donez. Deine Kameraden stehen bei Krinowno, gehen zurück nach Bjelgorod. Kannst sie noch erreichen …«
    »Lida – « Ursbach wollte sie an sich ziehen, aber sie schlug ihm auf die Hände und wich zurück.
    »Nix Zeit! Zieh Sachen an! Schnell! Sind Arbeiteranzug.«
    »Ich liebe dich, Lida«, sagte Ursbach, heiser vor Ergriffenheit. »Nur dich, Lida. Nicht Galina. Nie!«
    »Zieh an!« Sie bückte sich, hielt ihm die zerschlissene Hose hin, und als er in ihren Augen las, welche schreckliche Angst sie hatte, weil jede Minute das Ende bedeuten konnte, zögerte er nicht länger, riß sich die Uniform vom Leib, zog die Zivilkleider über, stülpte die Mütze über den Kopf. Der Anzug paßte leidlich.
    Lida knüllte die Uniform zusammen und versteckte sie unter einem Haufen Gerümpel.
    »Geh!« sagte sie tonlos. »Geh schnell!«
    »Lida …« Er küßte sie nun doch und preßte sie an sich. Er spürte, wie heftig sie zitterte, ihre Hände glitten unruhig über seinen Rücken. »Ich habe lange darüber nachgedacht. Wenn ich hierbleibe – wenn ich bei dir bleibe …«
    »Sibirzew tötet dich! Und auch Galina bringt dich um, wenn du mich liebst!«
    »Ihr werdet weiterziehen, den deutschen Truppen nach. Ich bleibe hier, oder irgendwo im Land, und warte auf dich. Ich sehe jetzt wie ein Russe aus. Ich werde nach Osten gehen.«
    »Du gehörst zu deinen Kameraden.«
    »Lida, ich will kein Held sein! Das klingt feig, aber es ist keine Feigheit. Die meisten toten Helden wollten gar keine Helden sein. Sie wollten weiterleben! Hätte man sie gefragt: Was ist dir lieber: Jedes Jahr eine Heldengedenkrede mit Blasmusik und Kranz oder irgendwo ein Häuschen, eine liebe Frau und drei Kinder? – Was hätten sie wohl geantwortet?«
    »Du reden, reden, reden … Du mußt laufen! Fort! Geh!«
    »Lida!« Sie hielten sich umschlungen, küßten sich wieder. Aber dann trat ihm Lida Iljanowna plötzlich gegen das Schienbein und stieß sich von ihm ab.
    »Geh!« sagte sie hart und ballte beide Fäuste. »Du deutscher Hund! Lauf!«
    Sie blies den Kerzenstummel aus, stieß die Scheunentür auf und rannte weg. Ursbach tappte hinterher, sah sie aber in der Dunkelheit der Nacht nicht mehr. Er lief ein paarmal um die nächsten Häuser, aber zu rufen wagte er nicht.
    Da blieb er stehen, wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht und biß sich dabei in den Handballen, weil er den unbändigen Drang hatte, laut aufzuschreien. Er wartete noch ein paar Minuten, in der wahnsinnigen Hoffnung, Lida könne zurückkommen. Dann ging er ohne Eile durch das Dorf, vorbei an wartenden Transportkolonnen und schnell eingerichteten Befehlsstäben, Schreibstuben und Magazinen, er schlenderte an all den Menschen vorbei wie ein Arbeiter, der hierhin gehört, und niemand fragte ihn, was er hier wolle.
    Von einer Hauswand stahl er ein Fahrrad, schwang sich in den Sattel und fuhr zwischen den vorrückenden Materialkolonnen nach Südwesten. Auch hier fiel er in der Dunkelheit nicht auf, der Vormarsch belegte auch alle Gedanken mit Beschlag. Was kümmert einen da ein Genosse Arbeiter auf einem Fahrrad?
    Die fahle Morgendämmerung sah Ursbach bereits im Gebiet der Artillerie. Hier hatte ein Zivilist nun wirklich nichts zu suchen.
    Ursbach versteckte sich und sein Rad in einem hügeligen Buschgelände und wartete das Heraufkommen des Tages ab.
    Jetzt wird Galina merken, daß ich weg bin, dachte er und hatte plötzlich heiße Angst um Lida. Was wird die Opalinskaja noch tun – außer toben und brüllen? Suchkommandos alarmieren? Würde man jetzt, während der großen Offensive, nach einem entlaufenen Deutschen suchen? Man hatte Größeres zu tun!
    Ursbach streckte sich in seinem Buschversteck aus und sah dem heute fast farblosen, gelblichwässerigen Sonnenaufgang zu. Es war die beste Zeit zur Flucht gewesen, das sah er ein. Ihn ärgerte nur, daß er jetzt sein mußte, was er nie hatte werden wollen. Aber um sein Leben zu retten, mußte er es

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