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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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rannte davon durch den prasselnden Regen.
    Plötzlich war Galina Ruslanowna da. Sie mußte irgendwo auf diesen Augenblick gelauert haben.
    »Was wollte sie?« fragte sie atemlos. Ihre Brust wogte. Etwas wie Angst lag in ihrem Blick.
    »Nichts.«
    »Sie war lange hier!«
    »Wir haben uns unterhalten.«
    »Hat sie gesagt, was aus dir werden soll?«
    »Nein!« Sein Herz krampfte sich zusammen. Das ist Angst, dachte er. Mensch, Helge, das ist nichts als hundsgemeine Angst. Du hast plötzlich Angst um dein Leben! Bis in den Arsch hinein spürst du es. Angst. »Ich bin doch Kriegsgefangener, nicht wahr? Arzt! Ich komme in ein Lager.«
    »Das weiß man nicht.« Ihre Augen waren wie glühende Schlitze; er bemerkte die unbeherrschbare Unruhe, die ihren Körper beben machte. »Sibirzew wird sagen: keine Gefangenen.«
    »Das kann er nicht!«
    »Auf Flucht erschossen.«
    »Das kann er.« Ursbach nickte mehrmals. Warum sollten es die Russen anders halten als die Deutschen? Er erinnerte sich an einen Vorfall im Winter 1942. Ein Stoßtrupp brachte sieben gefangene Russen mit. Der Kompaniechef wies zwei Soldaten an, die Gefangenen beim Bataillon abzuliefern. Das bedeutete: fast neun Kilometer Fußmarsch durch tiefen Schnee, bei 35 Grad Kälte, über winddurchheulte Steppe und später durch einen verfilzten Wald. Neun Kilometer hin, neun Kilometer zurück, das sind achtzehn Kilometer, um sieben Russen in Sicherheit zu bringen. Die beiden Landser zogen los, Eistropfen an der Nase, den Schal, der nach wenigen Schritten vom gefrorenen Atem bereits bretthart war, über dem Mund. Nach einer halben Stunde waren sie wieder da, allein, standen stramm, machten Meldung vor dem mit verkniffenem Gesicht im Unterstand hockenden Kompaniechef: »Die Gefangenen versuchten, zu flüchten. Alle auf der Flucht erschossen!« Man sprach nicht mehr darüber.
    Warum sollte Sibirzew anders handeln?
    »Wenn es sein muß …«, sagte Ursbach heiser. »Ich falle vor ihm nicht auf die Knie.«
    »Ich werde dich verstecken«, sagte Galina Ruslanowna und hob die Hand, um ihm über das vom Regen nasse blonde Haar zu streicheln. »Du kommst mit, wo auch ich bin …«
    »Wie willst du das machen?« fragte er. Ihm war, als habe man seine Brust in ein Eisenband gepreßt. »Vierhundert Augen beobachten uns!«
    »Und werden dich nicht mehr sehen …« Sie lächelte, nahm seine Hand, legte sie auf ihre linke Brust, seufzte tief und mit geschlossenen Augen, stieß ihn dann weg und verließ den Unterstand.
    In der Nacht vom 12. zum 13. Juli wurde Ursbach wachgerüttelt. Er lag nahe der Wagentür auf einer Decke. Hinter ihm schliefen die sieben verwundeten Mädchen, frisch verbunden und von ihm mit Schmerztabletten versorgt.
    Sie hatten am Abend des 11. Juli den kleinen Ort Njekjudowo erreicht und warteten nun auf ihren Einsatz. Im Morgengrauen hatte die sowjetische Gegenoffensive begonnen. Der Himmel schien vom Brüllen der Kanonen zu dröhnen. Kolonnen von Panzern rollten an ihnen vorbei zu den deutschen Angriffsspitzen, die sich sofort eingruben oder in Dorfruinen zurückzogen, um dort Igelstellungen zu bilden. Den ganzen Tag über donnerten Lastwagen mit Infanterie durch den Ort, Munitionskolonnen, Artillerieabteilungen, Werkstattwagen und immer neue Truppen. Von allen Seiten brüllten die Geschütze und preschten dann zum Stellungswechsel weiter vor. Um Njekjudowo herum wütete an diesem Tag ein Chaos aus Menschen, Maschinen und Pferden – unentwirrbar wie es schien und doch nach genauem Plan geleitet und im Ablauf von unheimlicher Präzision.
    Die Abteilung Bajda wartete in Alarmbereitschaft, fertig zum Abrücken an die vorderste Front. Aber man setzte sie nicht ein. Der neue Oberst Schementschuk schien der Ansicht zu sein, daß dieser rasante Vormarsch nichts für Frauen sei. Im Stellungskrieg, ja, da waren die Scharfschützinnen unersetzbar, aber bei einer Offensive störten sie bloß. Wenn sich die Front wieder festbeißen würde, wenn man sich abermals in Stellungen gegenüberlag, konnte man das Frauenbataillon wieder einsetzen. Bis dahin sollten die Mädchen Wäsche waschen oder mit dem nachrückenden riesigen Etappenkontingent huren. Es war offensichtlich, daß Schementschuk wenig von Frauen hielt, wenn es um die offene Feldschlacht ging.
    »Aufstehen!« flüsterte eine Stimme neben Ursbachs Ohr. »Steh auf und komm! Schnell! Komm!«
    Ursbach ließ sich aus dem Wagen gleiten und schloß leise die Tür. Draußen stand Lida Iljanowna, ergriff seine Hand und zog ihn

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