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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schützt …«
    »Lesnitschij«, sagte Stella versonnen.
    »Mag sein, ich kann kein Russisch. Aber gut, das ist er, ein Lesnitschij.«
    »Und jetzt Beruff: Töttän.«
    »Du tötest auch. Ein Mädchen!«
    »Für Vatterland.«
    »So denkt er auch.«
    »Ist Rußland sein Vatterland?«
    »Man hat uns erzählt, die Sowjets wollten Deutschland überfallen, aber wir seien ihnen zuvorgekommen. Wir haben das geglaubt. Wir alle!«
    »Und Pollän?!«
    »Ja, mit Polen fing es an. Da sagte Hitler, daß wir nun zurückschießen. Also hieß das, daß sie zuerst geschossen haben! Wir waren empört, wir alle. Wir haben es ja geglaubt.«
    »Und Frankreich?«
    »Frankreich und England haben uns den Krieg erklärt, nicht wir ihnen. Was sollten wir tun? Wir mußten siegen.«
    »So einfach für euch Deutschän ist das«, sagte sie bitter. »Nicht denkän. Nur müssän …«
    »Wer von uns hat 1939 schon gedacht? Man hat uns nicht zum Mitdenken, sondern zum Mitmarschieren erzogen. ›Unsere Fahne flattert uns voran …‹ Und die wies uns den Weg! Wohin der Weg führt? Wie kann man so etwas fragen! Wo die Fahne hingeht, da muß man blind folgen. Wie haben wir weiter gesungen? ›In die Zukunft zieh'n wir Mann für Mann.‹ Und: ›Mit der Fahne der Jugend für Freiheit und Brot …‹ So etwas reißt mit, Stella Antonowna. Wir waren Jungen, zu jeder Begeisterung fähig! Habt ihr nicht auch solche Lieder bei den Komsomolzen? Marschiert ihr nicht auch hinter den wehenden roten Fahnen her? Schleppt ihr nicht bei den Maifeiern und beim Fest der Oktoberrevolution riesige Plakatwände mit den Köpfen von Marx, Engels, Lenin und Stalin im Triumphmarsch mit euch herum? Ist das etwas anderes, als wenn wir Jungen singen: ›… uns're Fahne ist die neue Zeit, uns're Fahne führt uns in die Ewigkeit, ja, die Fahne ist mehr als der Tod!‹?« Ursbach holte tief Luft, während Stella Antonowna ihn stumm anblickte. »Da haben wir es: Uns're Fahne ist mehr als der Tod! Das haben wir hinausgeschmettert, ohne darüber nachzudenken, was Tod ist, was Krepieren im Granathagel bedeutet, wie gräßlich dieses Sterben ist, wenn man mit zerfetztem Bauch und heraushängenden Därmen herumkriecht und nach seiner Mutter schreit. Wer hat daran gedacht, wenn wir das sangen: ›Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit …‹?! Du lieber Himmel, wie waren wir stolz, wenn wir das hinausschmetterten – ebenso wie ihr stolz wart, euer Leben der Partei oder dem großen Genossen Lenin zu weihen! Auch nach diesem Krieg wird sich nichts ändern. Immer werden die Politiker schamlos und ungestraft sich an der so leicht entflammbaren Jugend vergreifen, um ihre egoistischen Ziele zu idealisieren! Und immer wieder wird es Jungen und Mädchen geben, die mit hellen, begeisterten Stimmen so einen verbrecherischen Blödsinn singen wie wir:
    Wir schaun nicht links, wir schaun nicht rechts,
gehn vorwärts sturmumwittert.
Wir sind die Erben des Geschlechts,
vor dem die Welt gezittert.
Uns gilt alleine Kraft und Mut
der Tapferen und Kühnen.
Wir woll'n der toten Brüder Blut
durch mut'ge Taten sühnen.
    Nie wird sich das ändern. Nie! Die Politik braucht das Verbrechen an der Jugend wie die Lunge das Atmen. Ohne Jugend keine Zukunft – das ist logisch. Also muß man die Jugend manipulieren nach seiner Ideologie: Das ist das fundamentale Credo der Politiker.« Ursbach wischte sich die Nässe vom Gesicht. Es war kein Schweiß; durch einen Riß in der aufgespannten Zeltplane tröpfelte der Regen. »So ist das mit uns, Stella Antonowna. Das wird uns einmal – wenn wir den Krieg überleben – vorgeworfen werden von einer neuen Jugend, die gar nicht merkt, daß auch sie bereits mit hohlen Schlagworten verseucht ist. Drei Worte aber wird man, wie immer, aussparen, weil sie unerträglich revolutionär für einen Politiker sind: Bruder – Schwester – Mensch! – Es wird mir immer unbegreiflich bleiben, warum das so ist. Warum der Mensch nie lernt, mit der ihm verliehenen Gnade des Denkens auch etwas anzufangen.«
    Stella Antonowna griff in ihre Tasche, holte eine zerknitterte Packung Papirossy hervor und gab sie Ursbach. »Nimm«, sagte sie. »Ich nicht rauchän. Du viele Worte. Ich wenig verstanden, doch weiß, was ist. Wo ist Pjotr?«
    »Hesslich? Irgendwo in der Steppe. Wenn er noch lebt.«
    »Er kann nicht wäg?«
    »Kannst du weg, Stella?«
    Sie sah ihn mit ihren blaugrünen Augen groß an, schürzte die Lippen und hob die Schultern. Dann schlug sie eine kleine Plane über sich und

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