Frauenbataillon
Juli bei einer kurzen Rast am Sanitätswagen II erschienen und hatte Ursbach für die Rettung der Genossin gedankt.
»Du bist Arzt«, sagte sie bewußt steif, um keinen Schimmer ihrer inneren Erregung zu zeigen. »War Pflicht von dir, zu hällfenn. Bist immer Feind …«
»Ich weiß.« Ursbach hatte endlich Zeit, Stella Antonowna genauer anzusehen. Hesslich hatte ihm gesagt, sie wäre der mutigste und kaltblütigste Mensch, der ihm je begegnet sei. Ein Mädchen, das eine kampfstarke Kompanie allein durch Kopfschüsse ausgerottet hatte. Nun, ganz aus der Nähe gesehen, war das Faszinierendste an ihr die völlige Normalität ihrer Erscheinung. Wenn man sich die Uniform mit den Ordensschnallen wegdachte und sie sich in einem bäuerlichen Kleid, mit einem Kopftuch um die blonden Haare vorstellte, dann sah man sie auf dem Markt sitzen und Zwiebeln und Gurken feilbieten, oder man konnte ihr auf einem Holzkarren begegnen, vor den ein struppiges Panjepferdchen gespannt war, während hinten auf der Ladefläche die Milchkannen klapperten. Ihr Blick war offen und forschte ihn aus, war aber keineswegs heldenhaft feurig oder schießwütig verkniffen, und sie stand vor ihm, die Hände auf dem Rücken, die Beine leicht gespreizt, ohne jede Spur von erotischer Lockung, ganz im Gegensatz zu Galina Ruslanowna, deren Gang ebenso wie das Spiel ihrer Hände oder der flinken Zungenspitze über den Lippen wie eine eindeutige Aufforderung waren.
Stella Antonowna wäre Ursbach gewiß anders erschienen, hätte er gewußt, daß sie in ihrem Büstenhalter Hesslichs graue Strickmütze trug, die ihr ständig das Gefühl vermittelte, Pjotr sei bei ihr, Haut an Haut.
»Erzähl!« sagte Stella und schlüpfte zu Ursbach neben den Wagen II in den daran angelehnten improvisierten Unterstand aus Zeltplanen. Die Verwundeten hatten ihr Essen bekommen, nun hatte man etwas Ruhe. Man war schneller zurückgewichen, als die Deutschen nachstoßen konnten. Noch immer regnete es in Strömen, Melder auf knatternden Motorrädern jagten durch aufspritzende Schlammpfützen an ihnen vorbei und hielten Verbindung zu anderen Truppenteilen. Die vordere Front vermischte sich jetzt mit den bereitgestellten Reserven aus der Steppe. Über Funk meldete sich Oberst Schementschuk, der neue Kommandeur, bei der Abteilung Bajda. Die Funkerin brachte die Notiz zu Stella und auch den Befehl, daß sich die Abteilung der neben ihr liegenden 3. Garde-Infanteriekompanie anschließen solle. Morgen beginne der Vormarsch auf Bjelgorod. In der Nacht würden vierzig Panzer eintreffen. Außerdem werde ein gut ausgerüsteter Verbandsplatz nach vorn verlegt, mit fünf Ärzten, vierzehn Feldscherinnen und genügend Zelten. Die Genossin Opalinskaja habe sich in diesem neuen Verbandsplatz zu melden.
Damit war Ursbach eigentlich überflüssig geworden und konnte liquidiert werden. Überall hätte man ihn weitergereicht, zur Gefangenensammelstelle, zum Auffanglager, zum Transportlager, zum Gefangenenlager, wo er als Arzt die deutschen Kameraden betreuen konnte. Nur nicht bei der Abteilung Bajda.
»Was soll ich erzählen?« fragte Ursbach.
»Von deinem Läbben.«
»Mein Leben? Da ist wenig zu erzählen. Es soll ja erst anfangen. Wie deins.«
»Deine Freunde …«
Ursbach sah Stella Antonowna nachdenklich an. Aha, dachte er. Das ist eine Frage, die auf Peter Hesslich zielt. Für ein paar Minuten war ich für Hesslich zum Beichtvater geworden, aber auch da kam er über Andeutungen nicht hinaus. Nur so viel war herauszuhören: Mit diesem Satan, wie Bauer III sie nannte, mußte Hesslich zusammengekommen sein. Was war dabei passiert? Warum lebte er noch? Warum gab es noch diese Stella Antonowna? Hesslich hatte sich verändert, das hatte Ursbach gespürt. Er war noch stiller geworden, kroch in sich hinein, verbarg etwas in seinem Inneren. War es dieses Mädchen, das meistgehaßte an diesem Frontabschnitt?
»Du willst etwas über Peter Hesslich hören?« fragte er geradeheraus.
Stella Antonowna zeigte keine Regung. Ihr Gesicht zuckte nicht, in die Augen sprang kein Funke. Daß ihr Herz gegen die graue Strickmütze klopfte, sah und hörte niemand.
»Njet! Nur so«, sagte sie hart.
»Peter ist ein prächtiger Mensch«, sagte Ursbach gleichmütig, als spreche er wirklich von unwichtigen Dingen. »Er liebt Blumen, Tiere und Menschen, er haßt alle Gewalt, er verflucht diesen Krieg, er sehnt sich nach seinen Wäldern zurück. Er ist Förster, weißt du, ein Mann, der den Wald verwaltet, die Tiere
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