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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Helm in den Nacken. »Woher denn?«
    »Schule …«
    »In der Steppe?«
    »In Blagoweschtsch.«
    »Wois'n das?«
    »Am Amur …«
    »Wo liegt denn der?«
    »Asien … Grenze China … Sibirien … grosses Fluß … ganz weitt wägg …«
    »Da kommen wir nie hin, was?«
    »Nie!«
    »Und da sind überall Russen?«
    »Villl weittär noch …«
    »Und da wollen wir den Krieg gewinnen?«
    »Mußt du wissän …«
    »Ich weiß es! Aber ob unser Führer das weiß? Ist alles Scheiße, Iwan!«
    »Wirklisch Scheißä!« Taganjew greift in die Tasche seines zerfetzten Mantels, zeigt Hermann Brosser ein Stück Zeitungspapier und ein paar Krümel Machorka und reibt die Fingerspitzen aneinander. »Papirossa?«
    »Aber ja! Bist ein prima Kumpel, Iwan! Dreh mir eine … aber lecken will ich!«
    Sie drehen gemeinsam die Zigarette. Pawel rollt den Tabak in das Zeitungspapier, Hermann beleckt den ausgefransten Rand. Pawel hat sogar ein Pappstreichholz. Brosser raucht vier Züge, dann gibt er die Papirossa an Pawel weiter.
    »Verheiratet?« fragt er.
    »Njet …«
    »Aber ich!« Brosser holt aus der Tasche ein Foto. Eine pausbäckige blonde Frau und ein Säugling. Sie lächelt in die Kamera; das Kind gähnt. »Erna heißt sie. Erna-Maria. Und das Kleine ist Magda. Wollte Erna so. Verehrt die Magda Goebbels so. Kennste die Magda Goebbels? Nee? – Ist ja egal! Nur weil die Magda Goebbels so blond ist wie sie – oder umgekehrt, die Erna so blond wie die … pfeif was drauf, also, unsere Tochter mußte Magda heißen! Das Bild ist fünf Monate alt! Beim letzten Urlaub fotografiert. Da hab ich hingelangt. Kann sein, daß jetzt ein Hermann unterwegs ist. Den bewundert die Erna nämlich auch, den Dicken, mit dem Klempnerladen auf der Brust. Weißte, was 'n Klempnerladen ist? Nee! Macht nichts …«
    »Schönes Frau!« sagt Pawel anerkennend und betrachtet das Foto.
    »Und ob sie schön ist, Iwan! Da läg ich jetzt lieber, als neben dir zu hocken.« Er nimmt Pawel das Foto wieder ab und steckt es ein. »Du hast kein Foto?«
    »Nur Mamitschka …«
    »Zeig her.«
    Pawel holt ein Bild aus dem Rock. Eine kleine, dickliche, breitgesichtige Frau in Filzstiefeln, lehmverschmierten Hosen und Steppjacke. Um das Haar ein farbloses Kopftuch. Am angewinkelten Arm hängt ein Flechtkorb voll dicker Zwiebeln.
    »In Garrtän …«, sagt Pawel mit zitternder Stimme.
    »Junge sind das Zwiebeln! Wie Kindsköppe! Du siehst deiner Mutter ähnlich …«
    Nach einer Stunde umarmen sie sich, küssen sich auf die Wangen und laufen durch die Ruinen zurück zu ihren Stellungen. Die Kampfpause ist vorbei. Ein deutscher Stoßtrupp wird von sowjetischer Pak beschossen. Sie haben Munition genug – mit Panzerabwehrkanonen schießen sie auf einzelne deutsche Soldaten.
    Ja, das gab es: Wenn der Krieg ein Nickerchen hielt, kroch die Menschlichkeit aus den Trümmern. Es passierte tausendmal an allen Fronten – man gab sich die Hand, zeigte einander Fotos, rauchte gemeinsam eine Zigarette, erzählte von den Familien – und rannte dann zurück in die Stellungen und – mordete weiter.
    Wer wird die Menschen je verstehen können?
    Peter Hesslich hatte neun Tage lang auf der Lauer gelegen.
    Was er als Junge und später als Forsteleve nie gekonnt hätte – einem Tier im Hinterhalt auflauern und es abschießen – das betrachtete er jetzt bei Menschen als eine unausweichliche Aufgabe. Ihm gegenüber lag ein Gegner, der nichts anderes kannte als töten – töten mit aller List und allem Können, eine perfekte Vernichtungsmaschine aus Gewehr, Zielfernrohr, Auge und Gehirn, die nur von einem einzigen Gedanken beherrscht war: Tod … Tod … Tod … Bei jedem Krümmen des Zeigefingers: Tod!
    Aber die Front schlief.
    Über den Donez setzten nachts keine Schlauchboote mit Scharfschützinnen mehr, die ab und zu als Störfeuer eingesetzte sowjetische Artillerie schwieg. Das weite Land lag in trügerischem Frieden unter einem frühlingsblauen Himmel; die bleiche Sonne wurde von Tag zu Tag goldener, und wenn man über das Land blickte, hätte einen der Anblick von Bauern und Frauen, die auf die Felder gingen, die Herden hinaustrieben oder auf den Bänken vor den Häusern saßen und nach langer Winterruhe das Werkzeug reinigten, die Gärten bestellten oder im Fluß fischten, kaum überrascht. Selbst wenn irgendwo eine Kirchenglocke geläutet hätte und die Menschen über die Feldwege zum Sonntagsgebet geströmt wären, hätte man es hingenommen. So still war es am Donez, so friedvoll lag

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