Frauenbataillon
die Blusen aufgeknöpft. Vom Gürtel abwärts trugen sie Militärhosen und plumpe Stiefel. »Es sieht so aus, als hielten sie es für unmöglich, daß wir jemals wieder über den Donez kommen. Sie bauen vor unseren Augen auf – so sicher fühlen sie sich. Darüber sollten wir nachdenken, Uwe. Die da drüben halten uns für ungefährlich, für besiegt. Die wissen mehr als wir.«
»Oder sie wollen uns nur reizen. Das ist blanke Provokation …«
»Ich glaube nicht.« Hesslich beobachtete weiter die Mädchen in den Gärten. Das sind sie, dachte er. Jetzt pflegen sie Blumen – und später krümmen sie den Finger und töten. Eiskalt, präzise. Kopfschuß. Wie ist es möglich, daß Mädchen so gefühllos sein können? Daß sie im Hinterhalt liegen können, ein Gesicht groß im Fadenkreuz erkennen und dann abdrücken, ohne daß ihr Herz zuckt und sich ihr Magen zusammenkrampft?! Was hat man aus diesen Mädchen gemacht? Wie hat man ihre Seelen getötet? Wie ihr Gefühl zerstört?
Sie lagen, durch ein Weidengebüsch geschützt, in der Sonne, und hatten sich bis auf die Hosen ausgezogen. Dallmann hatte seine Hose aufgeknöpft und bis zu den Hüften heruntergezogen. »Alles sehnt sich nach Frühlingsluft!« hatte er gegrinst. »Warum soll ich ihn einsperren?« Dann hatte er die Arme ausgebreitet und sich ganz der Wärme hingegeben. Hesslich legte das Fernglas weg, ließ sich ins Gras sinken und schloß die Augen. Es war nicht damit zu rechnen, daß von sowjetischer Seite jetzt jemand über den Fluß setzte. Weit weg von ihnen, im Gebiet der 1. Kompanie, kreiste ein russisches Aufklärungsflugzeug über dem Donez, eine jener langsamen, knatternden Maschinen, die gemächlich über den deutschen Stellungen kurvten, sich von MGs und Gewehren beschießen ließen und dank ihrer dicken Panzerung unbehelligt wieder heimkehrten. Sie wußten genau, wo Flak stationiert war – und dort tauchten sie nicht auf. Deutsche Jagdflugzeuge brauchten sie nicht zu fürchten; die deutsche Luftwaffe war froh, wenn man sie nicht über Gebühr einsetzte. Es mangelte an Maschinen und vor allem an Treibstoff. Nur ganz wichtige Einsätze wurden geflogen, und die Bekämpfung der ›Kaffeemühlen‹, wie man die sowjetischen Störenfriede nannte, galt nicht als wichtiger Einsatz. Es war sowieso nichts Besonderes, was die russischen Aufklärer fotografierten – das neue deutsche Grabensystem, das täglich besser ausgebaut wurde, ab und zu ein paar getarnte Panzer und Artilleriestellungen, Nachschubkolonnen und Transportzüge. Viel präziser waren die Meldungen aus der Schweiz, wo genaue Zahlen zusammenliefen und per Funk nach Moskau übermittelt wurden: Der geheimnisvolle ›Luzy‹-Spionagering wußte alles! Besprechungen über Angriffstermine im Führerhauptquartier – Moskau erfuhr davon zwei Tage später! Die Pläne v. Mansteins und v. Kluges – ›Luzy‹ berichtete präzise. Der Vortrag von Generaloberst Model bei Hitler über die Lage seiner 9. Armee am Kursker Bogen, der Ausbau der vieldiskutierten Hagen-Linie im Gebiet der Heeresgruppe Mitte, wohin sich bei einer Frontverkürzung die deutschen Armeen wie in eine Festung zurückziehen konnten – ›Luzy‹ in der Schweiz wußte alles.
Hesslich sah hinüber zu der einsamen ›Kaffeemühle‹, die trotz knatterndem Beschuß ruhig ihre Kreise zog, und schloß dann wieder die Augen. Die Sonne blendete, das Wasser des Donez flimmerte blau.
»Angenommen, es setzt ein Mädchen von da drüben über«, sagte er. »Was dann?«
»Was heißt: Was dann?« fragte Dallmann zurück.
»Würdest du schießen?«
»Das kommt darauf an.«
»Worauf kommt es an?«
»Wie es aussieht! Wenn es hübsch ist, so mit langen Beinen und strammen Titten – ich würde warten, bis es an Land ist. Dann kommt das Mäuschen näher – ich warte noch immer –, es kommt ganz nah, da sage ich lieb, aber mit Nachdruck: ›Nun wirf alles ab, Marusja, leg dich brav hin … ich hab die Hose schon aus!‹« Dallmann seufzte tief. »Verdammt! Du Sadist! So'n Thema, wo mir die Sonne drauf brennt …«
»An was anderes denkst du wohl nicht, was?«
»Im Augenblick … nee!«
»Das Mädchen hat ein Trefferbuch. Und jeder Treffer ist ein deutscher Kamerad!«
»Und für jeden Treffer muß sie's zehnmal machen!« erwiderte Dallmann gemütlich. »Das wird ein Nahkampf …«
»Du würdest also nicht sofort schießen?«
»Nicht mit 'nem Gewehr!« Dallmann grinste breit. Dann wurde er plötzlich ernst, drehte sich auf den Bauch und
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