Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
katholischen
Zentrum
(darunter Hedwig Dransfeld, die Vorsitzende des
Katholischen Frauenbundes
, sowie Helene Weber, die später eine der vier «Mütter des Grundgesetzes» war). Die übrigen Frauen verteilten sich auf die von Gustav Stresemann gegründete
Deutsche Volkspartei (DVP)
und die
Deutsch-Nationale Volkspartei (DNVP)
, eine Folgeorganisation der konservativen Vorkriegsparteien (Bremme 1956, 124).
Es gehört zu den Widersprüchen dieses Stücks Frauengeschichte, dass auch in der Folge gerade die Frauen, die vorher das allgemeine Stimmrecht abgelehnt hatten, unter den ersten Parlamentarierinnen waren, z.B. die erste Vorsitzende des
Deutsch-EvangelischenFrauenbundes Paula Müller-Otfried
(1865–1946), die mit ihrem Verband noch 1918 wegen der «Erklärung zur Wahlrechtsfrage» aus dem
BDF
ausgetreten war. Sie kandidierte nun zunächst erfolglos für die Nationalversammlung, war jedoch ab 1920 für die
DNVP
im Reichstag. Hingegen hat es keine der radikalen Feministinnen geschafft, über ein von Männern dominiertes, listengebundenes Verhältniswahlrecht in den Reichstag zu kommen. Auch der überstürzte Versuch Anita Augspurgs, in einer Koalition von Feministinnen und Sozialisten als Parteilose auf der Liste der
USPD
für die ersten Landtagswahlen in der bayerischen Räterepublik zu kandidieren, schlug fehl, ebenso Lida Gustava Heymanns Kandidatur für die Nationalversammlung. Der wiederholte Versuch, Frauenlisten durchzusetzen, fand keine Mehrheit, auch nicht unter den Frauen, ebenso wenig der immer wieder diskutierte Vorschlag, eine Frauenpartei zu gründen. Entsprechend bitter war der Kommentar Heymanns in der von ihr und Augspurg seit 1919 herausgegebenen Zeitschrift
Die Frau im Staat
: «Der alte Reichstag und die neue Nationalversammlung haben ein verflucht ähnliches Aussehen … Hätte die gesamte Frauenbewegung sich entschlossen, gemeinsame Frauenlisten herauszugeben, so wären zweifelsohne 80–100 weibliche Abgeordnete in die Nationalversammlung eingezogen. Die Frauen bildeten ja bei der Wahl die Majorität.»
Danach aber zogen sich Augspurg und Heymann wie viele ihrer radikalen Mitstreiterinnen aus der alltäglichen Vereinsarbeit in der Frauenbewegung zurück. Sie verlegten die Schwerpunkte ihrer Arbeit auf die internationale Friedensarbeit, eröffneten mit ihrer Zeitschrift «von Frauen für Frauen» ein Forum für radikal-feministische, internationale und kapitalismuskritische Beiträge, um sich damit deutlich von der Frauenpolitik und Frauenbewegung in der Weimarer Republik zu distanzieren. Die Radikalen waren also nicht mehr dabei, damit fehlte ein wichtiges Korrektiv.
«Wohlfahrtsfeminismus»
«Wir werden es nicht mehr nötig haben, mit Versammlungen, mit Resolutionen, mit Eingaben um unser Recht zu kämpfen», betonte die Sozialdemokratin
Marie Juchacz
(1879–1956) in der ersten Rede einer Parlamentarierin in der Weimarer Nationalversammlung. «Wir Frauen (haben) nunmehr Gelegenheit, unsere Kräfte auswirken zu lassen. Aber damit begeben wir uns keineswegs des Rechts, anders geartete Menschen, weibliche Menschen zu sein. Es wird uns nicht einfallen unser Frauentum zu verleugnen, weil wir in die politische Arena getreten sind und für die Rechte des Volkes mitkämpfen» (sten. Berichte von 1919/20). Dieses Bekenntnis zum Frausein kennzeichnete das neue Selbstbewusstsein der Frauen, die nun in der Politik der Weimarer Republik mitmischten, von links bis rechts. Es entsprach nicht nur den Vorstellungen der Mehrheit im
Bund Deutscher Frauenvereine (BDF)
, deren Konzept von «organisierter Mütterlichkeit» als Beruf und der besonderen politischen Mission der Frauen; auch die Radikalen waren überzeugt gewesen, dass Frauen andere Visionen und Erfahrungen in die Politik einbringen, um der Männer- und Machtpolitik entgegenzutreten. Ebenso fühlte sich Marie Juchacz, die Clara Zetkin in der Führung der sozialdemokratischen Frauen abgelöst hatte, in der ersten deutschen, demokratisch gewählten Volksvertretung zu dieser Klarstellung veranlasst und verwies auf die vielfältigen Tätigkeitsfelder in der Fürsorge, im Schulwesen, in der Wohnungsfrage und im Bereich der Volksgesundheit, in denen die Frauen vor dem und besonders im Krieg ihre besondere Eignung und bewährte Professionalität unter Beweis gestellt hatten. Der Hinweis diente nicht nur der Rechtfertigung, sondern war ein Grundmotiv für die Beteiligung von Frauen vorwiegend in der Sozialpolitik, das die neuen Staatsbürgerinnen ebenso
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