Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
erfolgreich wie sich selbst beschränkend in der Zwischenkriegszeit leitete. Übrigens nicht nur in Deutschland, weshalb die politische Ausrichtung der Frauenbewegungen dieser Epoche in der Literatur als «Wohlfahrtsfeminismus» oder auch «maternalistischer Feminismus» charakterisiert wird (vgl. Banks 1986).
Auf dem Feld der Sozialpolitik hatte der Erste Weltkrieg in vielfacher Hinsicht als Katalysator gewirkt, insbesondere auf dem Gebiet der Frauenerwerbstätigkeit, weil Frauen in der Kriegswirtschaft notgedrungen in großer Zahl die Arbeitsplätze in bisher typischen Männerindustrien übernahmen. Auch anderen Forderungen und Projekten der Frauenbewegung hat der Krieg zum Durchbruch verholfen, um deren Anerkennung vorher vergeblich petitioniert und gerungen wurde. Dazu gehörten Sozialleistungen wie die Wöchnerinnenhilfe und die Kriegsunterstützung für die Angehörigen der Soldaten, die sogar auch an nicht eheliche Kinder und unverheiratete Mütter gezahlt wurden, sowie die Einstellung einer großen Zahl von Fabrikpflegerinnen – eine langjährige Forderung zur Gewährleistung des Mutterschutzes. Wegweisend für die staatliche Arbeitsmarktpolitik war z.B. die Einrichtung von Arbeitsnachweisen durch die Frauenberufsvereine, die von Anbeginn Arbeitsvermittlung und Berufsberatung verknüpften. Das 1911 auf Reichsebene gegründete «Frauenberufsamt» mit zahlreichen örtlichen Auskunftstellen wurde das Vorbild für die ersten gemeindlichen Berufsämter und für die in der Weimarer Republik staatlich organisierte Arbeitsmarktverwaltung, die 1927 gesetzlich die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenunterstützung miteinander verband. Schließlich hatte der von den Vertreterinnen der Frauenbewegung – u.a. von
Marie Elisabeth Lüders
(1878–1966) als Leiterin des Frauenreferats im Kriegsamt – generalstabsmäßig organisierte Einsatz der Frauen im
Nationalen Frauendienst
unter Beweis gestellt, wie qualifiziert und unentbehrlich die «soziale Hilfstätigkeit» der in der Frauenbewegung geschulten Frauen war. Die Wegbereiterin der sozialen Frauenberufe in Deutschland, Alice Salomon, deren Lehrprogramme und soziale Frauenschulen weltweit Anerkennung und Nachahmung fanden, begründete Sozialarbeit als Beruf mit dem Konzept geistiger Mütterlichkeit und gab damit entscheidende Anstöße für die Entwicklung einer modernen Wohlfahrtspflege.
Jedoch wurde der Modernisierungsschub, der das Eindringen der Frauen auf den Arbeitsmarkt erzwungen und bisherige Rollenklischees außer Kraft gesetzt hatte, mit dem sog.
Zentralarbeitsabkommen
wieder rückgängig gemacht, das in der Weimarer Republik die Grundlagen für eine staatlich verfasste Sozialpolitik schuf. An diesem Abkommen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften vom 15. November 1918 waren die Frauenverbände trotz ihrer unentbehrlichen Rolle im Krieg nicht beteiligt worden. Die Vereinbarung, die in der Geschichte der deutschen Sozialpolitik als «Triumph der Demokratie» und «Sieg des Paritätsgedankens» (Franz Neumann) gefeiert wurde, beinhaltete neben der Anerkennung der Gewerkschaften als Tarif- und Sozialpartner, neben der Einführung des Achtstundentages und der paritätischen Mitbestimmung auch die Verständigung über die Demobilmachung, die die Rückführung der heimkehrenden Männer auf ihre angestammten Arbeitsplätze organisieren sollte – ein sozialer Kompromiss, der nicht nur ohne, sondern auf Kosten von Frauen getroffen und durchgesetzt wurde. Damit aber war auch für spätere Krisen des Sozialstaates der Mechanismus erfunden, mit dem unter dem Vorwand «sozialer» Gesichtspunkte Frauen als Personen, «die nicht auf Erwerb angewiesen» bzw. wegen ihrer Familienpflichten nicht «verfügbar» sind, jederzeit wieder vom Arbeitsmarkt verdrängt werden konnten. Obwohl die vorrangigen Familienpflichten auch das Selbstverständnis der im
BDF
organisierten Frauen bestimmten, kam es doch zu vielen Protesten, ja zu einer gemeinsamen Interpellation der Frauen aller Fraktionen in der Nationalversammlung. Die Abgeordnete Dr. Marie Baum von der
DDP
stellte dabei besorgt die Frage, ob nun «auf dem Markt der Arbeit anstelle des Klassenkampfes ein Kampf der Geschlechter um die Arbeitsplätze» getreten sei (Prot. 84. Sitzung).
Die Arbeit der ersten Parlamentarierinnen litt nicht nur unter ihrem Ausnahmestatus und der zu geringen Repräsentanz, entscheidend war, dass sie auf politisch-parlamentarische Ordnungen stießen, deren organisatorische Form und Strukturen
Weitere Kostenlose Bücher