Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
aktiv ist. Mit der Einrichtung ihrer Zentrale in Genf, am Sitz des Völkerbundes, bearbeiteten die Pazifistinnen in lokalen und nationalenSektionen gewichtige Themen wie internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Abrüstung, moderne Kriegsmethoden und die enge internationale Verflechtung von Wirtschaft und Waffenhandel. Die deutsche Sektion, angeführt von Augspurg und Heymann und der jüngeren Mitstreiterin
Gertrud Baer
(1890–1981), veranstaltete internationale Konferenzen, z.B. gegen den Gaskrieg 1929 in Berlin, und richtete schon 1924 eine «Kommission zur Bekämpfung des Antisemitismus» ein, die von der Bremerin
Auguste Kirchhoff
(1867–1940) initiiert wurde. Auch
Helene Stöcker,
Mitbegründerin des
Bundes für Mutterschutz
und seit der Jahrhundertwende Mitglied in der von Bertha von Suttner gegründeten
Deutschen Friedensgesellschaft
, hatte die von ihr bis 1932 herausgegebene Zeitschrift
Die neue Generation
seit dem Weltkrieg für den Kampf gegen Krieg, Militarismus und Gewalt geöffnet. Sie verband ihre Pionierrolle in der Sexualreformbewegung, die in den 1920er Jahren zahlreiche Sexualberatungsstellen einrichtete, sich für die Straflosigkeit der Abtreibung und der Homosexualität einsetzte, mit ihrem Engagement in zahlreichen internationalen pazifistischen Organisationen wie der
Internationale für Kriegsdienstgegner
oder der
Liga für Menschenrechte
.
Der
BDF
tat sich hingegen schwer mit der Wiederaufnahme der internationalen Beziehungen nach dem Ersten Weltkrieg, doch er war die Frauenorganisation, die Deutschland in den internationalen Gremien vertreten sollte. So hatte es die
BDF
-Führung Alice Salomon – Schriftführerin des
International Council of Women (ICW)
seit 1909 und auf diese Weise mit dem internationalen Frauennetzwerk und seiner langjährigen Präsidentin, der Lady Aberdeen, eng verbunden – 1920 untersagt, an der ersten Generalversammlung des
ICW
nach dem Krieg in Kristiania (heute Oslo) teilzunehmen. Offiziell lautete die Begründung, dass auf der Unrechtsbasis des
Versailler Vertrages
und des Ausschlusses Deutschlands aus dem
Völkerbund
«eine freie und unbefangene Zusammenarbeit der Frauen verschiedener Länder» noch nicht möglich sei. Die Ausschaltung der Person Salomons durch den
BDF
aber hatte bereits eine Vorgeschichte. Denn ursprünglich war vorgesehen, dass Alice Salomon als «prominenteFunktionsträgerin» des
BDF
1919 die Nachfolgerin von Gertrud Bäumer im Vorsitz des
BDF
werden sollte. Doch nun hielt es der Vorstand, insbesondere Bäumer, für unklug – mit dem Hinweis auf die antisemitische Grundstimmung in der Öffentlichkeit –, «jemanden mit jüdischem Namen und jüdischen Vorfahren» zur Vorsitzenden der Dachorganisation deutscher Frauenvereine zu machen (Salomon 1983, 186). Als nun auch noch das Verbot zur Teilnahme an der
ICW
-Konferenz in Norwegen hinzukam, erklärte Alice Salomon ihren Rücktritt vom Vorstand des
BDF
, dem sie 20 Jahre angehört hatte. Sie wurde trotzdem auch in Abwesenheit zur Vizepräsidentin des
ICW
gewählt. Nun war der
BDF
in der Klemme, gab schließlich seine Zustimmung zur Wahl, um sich international nicht zu isolieren, nachdem der
ICW
in einem Beschluss für eine gleichberechtigte Teilnahme Deutschlands im
Völkerbund
eingetreten war.
Ähnlich umständlich gestaltete sich die Mitwirkung in der internationalen Stimmrechtsbewegung. Nach der Einführung des Frauenwahlrechts in vielen Ländern stellte sich die Frage der Weiterexistenz des Stimmrechtsbundes. Auf dem 1920 in Genf erstmals nach dem Krieg veranstalteten Kongress aber kamen die Delegierten überein, dass es noch genug zu tun gab, um das Stimmrecht der Frauen
aller
Nationen zu sichern und um die tatsächliche Gleichheit im Hinblick auf Freiheit, Status und Chancen im Geschlechterverhältnis zu erreichen. Da sich die deutschen Stimmrechtsvereine 1918 aufgelöst hatten, übernahm schließlich 1923 der
Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF)
die Ämter und Vertretung der Deutschen im
IAW
. So kam es, dass Gertrud Bäumer als Vorsitzende des
ADF
(seit 1923 im Untertitel
Deutscher Staatsbürgerinnenverband
) bei der internationalen Vertretung der Stimmrechtlerinnen in die Fußstapfen von Anita Augspurg trat. Mit der Umbenennung der
International Women Suffrage Alliance
in
International Alliance of Women for Suffrage and Equal Citizenship (IAW)
im Jahr 1926 wurden die umfassenderen Ziele gleicher Bürgerrechte auch im privaten und sozialen Bereich ausdrücklich benannt. Zugleich
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