Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
überparteilich die Organisationen der Frauenbewegung agieren könnten. Für die Sozialdemokratinnen war die Zuordnung zur
SPD
bzw. später auch zur
USPD
unstrittig, obwohl die Einbindung in die Parteistrukturen die proletarische Frauenbewegung autonome Spielräume kostete. Die gemäßigten Bürgerlichen, Helene Lange oder Gertrud Bäumer sowie eine Reihe von Vorstandsfrauen des
BDF
, wurden Mitglieder im Block liberaler Parteien, ab 1918 der
Deutschen Demokratischen Partei,
auch wenn sie bereits 1910 bei der Gründung der linksliberalen
Fortschrittlichen Volkspartei
enttäuscht hatten feststellen müssen, dass «keine der Parteien die Ideale der Frauenbewegung … darstellte …, keine einzige bereit war, mit der Interessenvertretung der Frau wirklich Ernst zu machen» (Zahn-Harnack 1928, 308). Erst recht politisch heimatlos aber waren von Anbeginndie auf die Verbindung von Friedens-, Sexual- und Geschlechterpolitik ausgerichteten Radikalen, die nur auf der internationalen Bühne Verbündete fanden, etwa in der 1919 begründeten
Internationalen Liga für Frieden und Freiheit (IFFF)
.
Welche politischen Umstände, sozialen Konflikte und Krisen im Einzelnen dazu geführt haben, dass diese erste deutsche Republik bereits 1933 in der nationalsozialistischen Diktatur endete, ist vielfältig untersucht und beschrieben worden: Als größte Belastung galt der Versailler Friedensvertrag, dessen Bedingungen, die Anerkennung der deutschen Kriegsschuld verbunden mit hohen Reparationszahlungen, Gebietsabtretungen und der Besetzung des Rheinlandes, von der Mehrheit der Bevölkerung, auch von den Frauen, als ‹Diktat› und Demütigung erlebt wurden. Selbst die Pazifistinnen, die sich 1919 in Genf versammelten, um ihrer 1915 in Den Haag begonnenen «Völker versöhnenden Frauenarbeit» als
Internationale Liga für Frieden und Freiheit
eine neue organisatorische Form zu geben, sprachen «ihr tiefes Bedauern darüber aus, dass die in Versailles vorgeschlagenen Friedensbedingungen so schwer die Grundsätze vergewaltigen, durch welche allein ein gerechter und dauernder Friede gesichert werden kann». Sie warnten hellsichtig davor, «für ganz Europa Feindseligkeit und Missstimmung zu schaffen, die nur zu weiteren Kriegen führen können» (
Die Frauenbewegung
1919/75f.).
Wahlen und Wahlergebnisse
Sofort nachdem der Wahltermin für die Nationalversammlung am 19. Januar 1919 bekannt gegeben worden war, wurde von allen Seiten, auch von den Parteien, die kurz vorher noch das Frauenstimmrecht abgelehnt hatten, eifrig um die Frauenstimmen geworben. Der
BDF
, der sich satzungsgemäß auf strenge Neutralität festgelegt hatte, begann eine lebhafte Agitation und Schulung der Frauen als Staatsbürgerinnen und forderte die deutschen Frauen jeder Partei und Weltanschauung auf, «ihre nationale Zusammengehörigkeit zum Ausdruck zu bringen und die allen gemeinsame Idee von der Kulturaufgabe der Frau zuverwirklichen». Frauen aller Richtungen, auch die Sozialdemokratinnen sowie die
Vaterländischen Frauenvereine
, schlossen sich zu Wahlausschüssen zusammen, die vor Ort Vortragsreihen und Versammlungen organisierten sowie Werbebroschüren, Flugblätter und Plakate verteilten. Zur Mobilisierung wurden «10 Gebote zum Frauenwahlrecht» verabschiedet, die alle an die große Verantwortung der Frauen und ihre gewissenhaft zu erfüllende Pflicht als Bürgerinnen appellierten. Der Gedanke einer Frauenpartei wurde verworfen: «Die Frauen dürfen sich jetzt nicht auf eine Insel zurückziehen, wo sie über dem Kampf stehen und überparteiliche Werte pflegen – nein, sie müssen sich hineinstürzen in die Wogen des Kampfes, der nicht ausbleiben wird, wo um … Herrschaft und Freiheit gerungen wird» (Zahn-Harnack 1928, 316).
Die außerordentlich hohe Wahlbeteiligung der Frauen war ein Beleg für den Erfolg dieser Kampagnen. Sie betrug fast 90 Prozent und lag insbesondere in den jüngeren Altersstufen über denen der Männer. Auch der Anteil weiblicher Abgeordneter in der Nationalversammlung war mit 41 von 423 bzw. 9,6 Prozent größer als in allen nachfolgenden Wahlen zum Weimarer Reichstag und wurde erst in den Wahlen zum westdeutschen Bundestag 1983 wieder erreicht. Von den 41 weiblichen Abgeordneten gehörten mehr als die Hälfte (22) zur
SPD
, drei waren Mitglieder der
USPD
, jeweils sechs gehörten zur liberal-bürgerlichen
DDP
(darunter die Führungsriege des
BDF
, Gertrud Bäumer, Marie-Elisabeth Lüders und Marie Baum) und sechs zum
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