Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
Einvernehmen mit den Veranstalterinnen dieser Konferenz des
International Council of Women (ICW)
war wenige Tage zuvor ebenfalls in Berlin eine andere internationale Dachorganisation gegründet worden, der Weltbund für Frauenstimmrecht, die
International Woman Suffrage Alliance of Women (IWSA)
. Weil sich der Internationale Frauenrat
(ICW)
in seiner Satzung zu absoluter politischer Neutralität und damit nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der Gemeinnützigkeit verpflichtet hatte, drängten die radikalen Demokratinnen auch auf internationaler Ebene auf eine entschiedenere Politik, um vorbehaltlos für die Rechte der Frauen, vor allem das Stimmrecht einzutreten. Die Anwesenheit der organisierten internationalen Frauengemeinschaft in Berlin für die Gründung einer zweiten internationalen Frauenorganisation zu nutzen war ein Schachzug, den die niederländische Ärztin und Frauenrechtlerin
Aletta Jacobs
(1854–1929) gemeinsam mit Augspurg und Heymann ausgeheckt hatte. Präsidentin wurde die Amerikanerin Carry Chapman Catt und Anita Augspurg Vizepräsidentin.
Auch die proletarische Frauenbewegung – ohnehin auf die Zweite Internationale ausgerichtet – organisierte sich international. 1907 luden die deutschen Genossinnen zur Ersten Internationalen Konferenz sozialistischer Frauen nach Stuttgart ein. Auf der Zweiten Internationalen Konferenz in Kopenhagen im Jahr 1910 wurden gemeinsame Agitationen für das Stimmrecht beschlossen und dazu am 19. März 1911 parallel in Dänemark, Deutschland, Österreich und der Schweiz zum ersten Mal der
Internationale Frauentag
veranstaltet.
Doch die so emphatisch verkündete internationale Frauensolidarität zerbrach mit dem Ersten Weltkrieg weitgehend. Dieseerste Bewährungsprobe bestand nur eine Minderheit in der bürgerlichen als auch in der proletarischen Frauenbewegung. Der
BDF
unter dem Vorsitz von Gertrud Bäumer ergriff bereits in den ersten Augusttagen des Jahres 1914 die Initiative, «um eine große, ganz Deutschland umfassende Organisation ins Leben zu rufen, … wenn die Schicksalsstunde schlägt»: Der
Nationale Frauendienst (NFD)
, der den Kriegsdienst der Frauen an der «Heimatfront» organisierte, war eine Zusammenfassung aller Frauengruppen, Vereine und Wohlfahrtseinrichtungen und galt als die große Bewährungsprobe, mit der die Frauen ihre in vielfältigen sozialen Hilfstätigkeiten erfahrene und inzwischen professionelle Schulung im Bereich der Wohlfahrtspflege, des Fürsorgewesens, aber auch der kommunalen Verwaltung unter Beweis stellen konnten. Auf der Woge der Kriegsbegeisterung und nationaler Überheblichkeit, die die Massen ergriff, Männer und Frauen, kooperierte nun der
BDF
auch mit den bisher nicht angeschlossenen konfessionellen Verbänden sowie mit den
Vaterländischen Frauenvereinen
. Eine wichtige Rolle spielten dabei auch der
Reichsverband deutscher Hausfrauen
sowie der
Reichsverband landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine
, die sich 1914 und 1915 überregional organisierten und von da an im
BDF
die stärksten Einzelorganisationen waren. Auch die Vertreterinnen der sozialdemokratischen Frauenvereine arbeiteten vor Ort mit dem
NFD
Hand in Hand. Denn auch für die Mehrheit der Sozialdemokratinnen galten der «Burgfrieden» und das Kaiserwort vom 4. August 1914: «Ich kenne keine Parteien mehr; ich kenne nur noch Deutsche.» Die Kriegsgegnerinnen wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg gerieten nun in die Opposition innerhalb der eigenen Partei, die 1917 zur Abspaltung der
USPD
führte. Zetkin berief im März 1915 gegen den Willen der Parteileitung als Protestveranstaltung gegen den Krieg eine
Internationale Sozialistische Frauenkonferenz
nach Bern ein und wurde von da an wegen Landesverrats verfolgt und von der Zensurbehörde schikaniert. Sie musste 1917 auch die Redaktion der Zeitschrift
Die Gleichheit
abgeben.
Auch in den anderen Krieg führenden Ländern ließen sich die Organisationen der Frauenbewegungen zu nationalen Kriegsdiensten,in der Kriegsindustrie und Lebensmittelversorgung verpflichten. Der
ICW
legte mit dem Ausbruch des Krieges seine internationalen Beziehungen auf Eis. Seine Vorsitzende, Lady Aberdeen, drückte in einem Brief an Gertrud Bäumer ihren großen Kummer darüber aus, gleichzeitig betonte sie aber: «Wir alle sind froh darüber, dass die Frauen überall in der Welt dem Ruf der Pflicht und der Opferbereitschaft in so wunderbarer Weise gefolgt sind … und dass es die beste Richtschnur für uns ist, wenn die Frauen
Weitere Kostenlose Bücher