Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
ungekürzter Ausgabe erschien; ferner Kate Milletts
Sexus und Herrschaft
(1971) und Shulamith Firestones
Frauenbefreiung und sexuelle Revolution
(1975). Andere im deutschen Kontext meistgelesene Bücher, die sexuelle Tabus durchbrachen und die Geschlechterbeziehung gerade unter dem Vorzeichen einer angeblich befreiten Sexualität als Machtbeziehung diagnostizierten, waren:
Der kleine Unterschied
von Alice Schwarzer sowie Verena Stefans
Häutungen
, beide 1975. Nicht zuletzt die Lektüre von Frauenliteratur aus der DDR, von Autorinnen wie Maxi Wander, Christa Wolf und Irmtraud Morgner, die später als «literarischer Feminismus» bezeichnet wurde, hat in Westdeutschland zu einem das System überwindenden feministischen Selbstbewusstsein beigetragen.
Öffentlichkeit und Projekte
In den 1970er Jahren waren in vielen Städten Frauenzentren, Beratungsstellen, Frauengesundheits- und Mütterzentren entstanden, die als Umschlagplätze und Drehscheibe für weitere Mobilisierungen dienten. Dass die Frauenbewegung in dieser Zeit in der Öffentlichkeit ankam, sich eine Bewegungsöffentlichkeit auch im Sinne einer Gegenkultur schuf, ist an der großen Zahl von Frauenbuchläden, Frauenzeitschriften und Frauenverlagen abzulesen sowie an der Tatsache, dass führende Verlagshäuser Frauenliteratur in ihre Programme aufnahmen. Hinzu kamen Frauenseminare an Universitäten, Volkshochschulen und Bildungsstätten. Unter den zwischen 1973 und 1980 fast 400 erschienenen Periodika waren
Courage
(1976–1984) und
Emma
(seit 1977 bis heute) die auflagenstärksten überregionalen Zeitschriften, in denen durchaus unterschiedliche politische Orientierungen und Zielsetzungen formuliert wurden. Während
Courage
ein im Kollektiv hergestelltes Produkt war, dessen Autorinnen vorwiegend aus dem studentischen, akademischen und linksorientierten Milieu stammten, war
Emma
von vornherein das Publikationsorgan von Alice Schwarzer, die als Journalistin und Prototyp
der
streitbaren Feministin nicht nur ihrer Zeitschrift, sondern auch dem bundesrepublikanischen Feminismus ihren Stempel aufzudrücken suchte. Das überzeichnete ihre Rolle und musste provozieren angesichts der basisdemokratischen Orientierung, trotzdem hat
Emma
wesentlich zur Popularisierung und Vermittlung feministischer Konzepte in breite Leserschichten, nicht zuletzt auch bei männlichen Lesern, beigetragen.
Breitenwirkung entfalteten schließlich die großen Veranstaltungen, die sich explizit an jede Frau, auch außerhalb der Universitäten, wandten: z.B. die seit 1976 jährlich veranstalteten
Sommeruniversitäten
der Freien Universität Berlin, die an wechselnden Orten einberufenen
Historikerinnen-Treffen
oder das
Frauenforum im Revier
1979 in Dortmund, das die praktischen Probleme und Lebensbedingungen von Frauen im Ruhrgebiet verhandelte und an dem mehr als 5000 Frauen teilnahmen. Die neu entstandene Freizeit- und Geselligkeitskultur, die Frauenfeste,-kabaretts, -cafés und Frauenkneipen verstärkten das «Wir-Gefühl», schufen neue Bewegungsräume und Milieus für eine kollektive Identität. Und es begann Spaß zu machen, wie die Beteiligten betonten, was früher Angst gemacht hatte: ohne Männer in die Kneipe oder ins Kino zu gehen, allein zu verreisen. Dabei wurde der zur Selbstfindung anfangs notwendige und manchmal rigide Ausschluss von Männern den Feministinnen besonders übel genommen – ungeachtet der zahllosen Männerclubs und nach wie vor exklusiv männlichen Räume der Macht in Politik, Wirtschaft und repräsentativer Geselligkeit.
Als Markenzeichen der westdeutschen Frauenbewegung bildete sich die Arbeit in Projekten heraus, eine Aktions- und Organisationsform, in der Frauensolidarität praktisch tätig werden konnte. Unter der Vielzahl mit Phantasie, aber meistens wenig Geld organisierten Selbsthilfe-Projekte war die Einrichtung von
Frauenhäusern
als Zufluchtsstätten für geschlagene Frauen das nachhaltigste Projekt. Denn das zentrale Thema, das die neue Frauenbewegung aufgebracht hat, war die Skandalisierung der
Gewalt gegen Frauen
, war der Nachweis vielfältiger Formen von direkter wie struktureller Gewalt im Geschlechterverhältnis. Größere Aufmerksamkeit in der bundesrepublikanischen Presse erlangte die Problematik durch das
Internationale Tribunal Gewalt gegen Frauen
, auf dem im März 1976 in Brüssel Frauen aus allen Teilen der Welt als Zeuginnen, mit Dokumentationen oder mit Hilfe von Foto- und Filmmaterial über erlittene Gewalt berichteten. In der
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