Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
abschließenden Resolution wurde ein feministischer Begriff von Gewalt erarbeitet, der sowohl direkte persönliche Angriffe auf Frauen als auch die subtilen und unsichtbaren, in der Gesellschaft verankerten strukturellen Gewaltverhältnisse einschloss. Der Protest gegen die Normen männlicher Sexualität, die sog. Zwangsheterosexualität, ermöglichte schließlich auch die Entdiskriminierung weiblicher Homosexualität und die Anerkennung lesbischer Beziehungen als Lebensform.
In der BRD wurde das erste Frauenhaus 1976 in Berlin eröffnet, am Beginn der 1980er Jahre gab es bereits ca. 100 Frauenhäuser, die von Frauen aus der autonomen Bewegung initiiertund nach dem Prinzip der Selbsthilfe, der Teamarbeit und Basisdemokratie unter dem Motto «Frauen helfen Frauen» organisiert wurden. Die Frauenhäuser hatten von Anbeginn gegen viele Widerstände zu kämpfen. In der Konkurrenz um öffentliche Gelder und staatliche Förderung zeigte sich das Dilemma einer auf Geld und Anerkennung angewiesenen Autonomie. So waren die autonomen Frauenhäuser erst Anfang der 1980er Jahre prinzipiell bereit, «Staatsknete» über eine institutionelle Förderung in Anspruch zu nehmen.
Autonomie oder Institution
Anders als die «alte» Frauenbewegung gründete die «neue» keine Vereine oder Organisationen, sie verstand sich ausdrücklich als Basisbewegung, die eine Stellvertreterpolitik, erst recht «Führerinnen», strikt ablehnte. Sie bestand aus einem losen Netzwerk von Gruppen und weiteren Netzwerken, Projekten und organisierten Treffen, die für bestimmte Themen und Anliegen eine Öffentlichkeit herstellten und damit zur Mobilisierung und Verbreiterung der Bewegung beitrugen. Diese lockere Form der Organisation war Stärke und Schwäche zugleich: Stärke, weil sie politisch unabhängig war und Raum bot für die unterschiedlichsten Anliegen und Initiativen. Zumindest zweischneidig aber war das Prinzip der Autonomie, das die westdeutsche Frauenbewegung im Vergleich zu den Frauenbewegungen anderer Länder charakterisierte und von ihr mit besonderer Rigidität verfochten wurde (Ferree 1990). Es ging um Autonomie in doppelter Hinsicht: Individuell bedeutete Autonomie Selbstbestimmung, vor allem auch über den eigenen Körper, sowie Befreiung aus männlicher Bevormundung und ökonomischer Abhängigkeit. Politisch meinte Autonomie die Separierung und Unabhängigkeit von der männerdominierten Linken und von Männern überhaupt, aber auch Unabhängigkeit der Bewegung von allen Institutionen des Staates, insbesondere auch von den Parteien.
Das Festhalten am Prinzip der Autonomie, die zum Prüfstein für Radikalität und einen richtigen Feminismus wurde, sowiedie dogmatische Gegenüberstellung von «Autonomie oder Institution» (so der Titel der Sommeruniversität der Frauen 1979) führten spätestens in den 1980er Jahren zu Kontroversen, die die Durchsetzung politischer Ziele behinderten. Dabei deutete sich die Verbreitung feministischer Ideen im Zulauf ganz neuer Gruppierungen an. Diese Verbreiterung und gleichzeitig größere Heterogenität ihrer Anhängerschaft war entgegen allen Unkenrufen vom Ende der Frauenbewegung als Mobilisierungserfolg zu interpretieren. Er speiste sich aus verschiedenen Quellen, z.B. aus der Friedensbewegung, aus einer neuen frauenpolitischen Orientierung gewerkschaftlicher Frauenpolitik sowie einer die Kirchenoberen beunruhigenden feministischen Theologie, die weltweit in einer ökumenischen Bewegung der Frauen 1983 in Vancouver ein erstes «Gender Mainstreaming» einführte. Außerdem bildeten sich Plattformen für den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Feministinnen und Parteifrauen, z.B. 1980 die
Initiative 6. Oktober
. Selbst an den
Informationen für die Frau
, dem Presseorgan des Deutschen Frauenrates, war abzulesen, dass sich auch hier der feministische Einfluss nicht mehr verhindern ließ, etwa in der Behandlung der Problematik der Gewalt gegen Frauen. Mit der Partei
Die Grünen
, seit 1983 im Bundestag vertreten, tauchten erklärte Feministinnen als Funktionsträgerinnen in der offiziellen Politik auf. Sie belebten die frauenpolitische Diskussion mit einer neuen Quotierungsdebatte und dem Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes, der jedoch 1986 im Bundestag keine Mehrheit fand. Schließlich wurde mit der Etablierung von Gleichstellungsstellen auf Länderebene und in den Kommunen ein ganz neues Politikfeld im politisch-administrativen System eröffnet, das sich – je nach persönlichen und
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