Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
(sprichwörtlich wurde der Wuermeling-Ausweis des ersten Familienministers von 1953 bis 1962) und wissenschaftlich von der Psychologie über die Soziologie bis zur Medizin mit Ratgebern und Expertisen abgesichert. Nach allen Katastrophen hatte die deutsche Nachkriegsfamilie ihre «außerordentliche Widerstandskraft» als «letzte Grundlage der sozialen Zuflucht und Sicherheit» bewiesen (vgl. Schelsky 1954), war die Wiederherstellung traditioneller Geschlechterrollen sowie die Kern- oder Kleinfamilie als dominante Lebensform ein Nachweis für die «Normalisierung» der Lebensverhältnisse. Tatsächlich – so stellt die Familiensoziologie im Rückblick auf alle westlichen Industrieländer fest – lebten zu keiner Zeit vorher und nachher so viele Menschen in einer Kleinfamilie, waren so viele Menschen verheiratet, gab es so wenige Ehescheidungen und nicht eheliche Kinder wie zwischen 1950 und 1965 (Nave-Herz 1993). Doch im Blick auf die Stellung der Frauen sind die Wirtschaftswunderjahre als restaurativ und repressiv zu kennzeichnen. Auch vergleichende Studien belegen, dass die «Normalisierung» der Verhältnisse im Privaten wie auf dem Arbeitsmarkt zum Beispiel auch in den USA sowie in anderen am Krieg beteiligten Ländern zur Restauration patriarchaler Verhaltensweisenführte und mit einer «Re-maskulinisierung» in Politik, Wirtschaft und Kultur verbunden war (Moeller 1998). Auch die Amerikanerinnen, die sich doch als politische Missionare für die Erziehung der Deutschen zur Demokratie verstanden, kennzeichneten in einer Selbstbeschreibung den Feminismus der 50er Jahre in den USA mit dem Bild des «Überlebens in der Flaute» («Survival in the Doldrums»; Rupp/Taylor 1990), wiederum eine Metapher aus der Seefahrersprache, die den Blick auf die ‹langen Wellen› der Frauenbewegung schärft. Doch sie hoben hervor, dass auch die verhältnismäßig kleine Elite der Frauenrechtlerinnen in dieser Brückenzeit zumindest im Hinblick auf Frauenrechte den Boden für weiter gehende Forderungen bereitete.
Anders als in den USA, wo die Feministinnen seit den 1920er Jahren vergeblich um ein
Equal Rights Amendment (ERA)
der amerikanischen Verfassung kämpften, hatten Frauen in der BRD seit 1949 laut Art. 3 Abs. 2 die Zusicherung des Grundgesetzes, in allen Rechtsbereichen, nun auch im Privatrecht, gleichberechtigt zu sein. Allerdings hatte der Bundestag die Frist, den Art. 3 GG bis 1953 insbesondere im Familienrecht umzusetzen, verstreichen lassen – im Gegensatz zur DDR, deren Verfassungsartikel 7 zur Gleichberechtigung unmittelbar gelten sollte und die ihren Vorsprung in Sachen Gleichberechtigung in der Folge propagandistisch zu nutzen wusste. Denn auch in dem erst 1957 verabschiedeten westdeutschen Gleichberechtigungsgesetz wurde die Gleichstellung nach wie vor durch die rechtliche Privilegierung der Hausfrauen-Ehe unterlaufen und damit das Modell des männlichen Familienernährers im Bereich sowohl der Sozialgesetzgebung wie auch des Steuerrechts als Leitnorm beibehalten. Erst 1977 wurde die Reform des Familienrechts auf der Basis eines egalitären Ehemodells eingelöst.
Die Widersprüche zwischen Verfassungsauftrag und Wirklichkeit wurden im Verlauf 1960er Jahre zunehmend zum Thema. Im
Bericht der Bundesregierung über die Situation der Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft
aus dem Jahr 1966 wurden unter Mitwirkung von über 100 Sachverständigen und Wissenschaftlern die «in der heutigen Zeit (an die Frauen) gestellten vielfachen Anforderungen» ausführlich erörtert. In derBeurteilung der Situation blieb der Bericht weitgehend überkommenen geschlechtsspezifischen Leitbildern verhaftet, wonach «die Frau nach ihrer körperlichen und geistig-seelischen Beschaffenheit auf die Mutterschaft hin angelegt» ist und die «Auswirkungen der mütterlichen Erwerbstätigkeit» in der Rede von den Millionen «Schüsselkindern» nach wie vor für sehr problematisch gehalten wurden. Gleichzeitig aber wurde zur Lösung der Probleme der Doppelbelastung in Anlehnung an Alva Myrdal und Viola Klein (Myrdal/Klein 1962) das sog. «Dreiphasenmodell» zum Programm, das Frauen nach einer Erziehungszeit die Rückkehr in den Beruf versprach. Der Frauenbericht stieß in der Öffentlichkeit unerwartet auf große Resonanz und eröffnete in der nachfolgenden Periode gesellschaftspolitischer Reformen der linksliberalen Koalition – vergleichbar dem von J. F. Kennedy in Auftrag gegebenen Bericht der «Commission on the Status of
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