Frauenversteher
wichtig, denn das Gegenteil wäre ein sofortiges Ausschlusskriterium. Gepflegte Zähne weisen auf regelmäßige und zuverlässig durchgeführte Körperhygiene hin, alles andere wäre ebenfalls ein Ausschlusskriterium. Dieser Mann ist sich im positiven Sinne seiner selbst bewusst, muss sich nicht verstecken und kann offensichtlich charmant sein. Möglicherweise ist er sogar ein Gentleman?«
Auch wenn es nicht viele Frauen öffentlich zugeben würden, so wirkt ein moderner Gentleman doch auf viele angenehm »retro«, im besten Sinne »old school« und auf unterschwellige Art beruhigend aufregend, so widersprüchlich das auch klingen mag.
Peter begrüßte Claudia als qualifizierte Interessentin und mögliche Kundin höflich und nach allen Regeln eines gut geschulten und unaufdringlichen Verkäufers, eines sogenannten »Soft Sellers«. Er begegnete ihr unverstellt natürlich und ohne falsche Scham oder übertriebenen Habitus. Frauen merken sehr schnell, ob ein Mann authentisch ist oder eine Rolle spielt, die nicht zu ihm passt.
Peter machte einiges richtig, um Claudia bei der Entscheidungsfindung im Hinblick auf den Kauf eines Sofas zu unterstützen. Er redete nur dann von sich selbst und dem Sofa, wenn Claudia ihn danach fragte, hörte ansonsten zu und stellte interessierte Nachfragen, um Claudias Wünsche und Interessen herauszuhören. Dieser dritte Eindruck, den Claudia nun beim Gespräch mit Peter gewinnen konnte, gefiel ihr besonders gut.
Signalwirkung bei Claudia (und den meisten Frauen): »Toll, dieser Mann kann aktiv und bewusst zuhören, interessiert sich aufrichtig für mich und begegnet mir auf Augenhöhe, sehr nett, vielleicht interessiere ich mich nicht nur für das Sofa …«
Claudia besuchte das Möbelhaus und Peter noch ein paarmal, bevor sie sich entschied. Dann kaufte sie das Sofa, ließ sich von Peter zu einem fantastischen Essen in einem wirklich tollen Restaurant einladen und einige Wochen später stellten beide begeistert fest, dass sie auf dem Sofa nicht nur richtig gut sitzen und reden konnten, sondern auch andere Betätigungen ganz wunderbar funktionierten.
Das findest du witzig?
Inzwischen wohnen Peter und Claudia fast drei Jahre zusammen in einer gemeinsamen Wohnung, das Sofa ist immer noch da und hat sich kaum verändert, aber ihre Gespräche sind anders geworden, auch die Betätigungen auf dem Sofa sind deutlich ruhigerer Art. Claudia hat nicht mehr das Gefühl, dass Peter ihr wirklich zuhört, wenn sie etwas sagt, oft nickt er nur beiläufig und fragt überhaupt nicht nach. Ihre Gespräche sind weniger interessant und weniger häufig. Es dreht sich seltener um Peter und Claudia als um die Dinge des täglichen Lebens: »Denkst du an die Milch, wenn du heute noch einkaufen gehst?« – »Hatten wir nicht vereinbart, dass du fürs Saugen verantwortlich bist, wenn ich Überstunden machen muss?« – »Was zum Teufel riecht hier so unangenehm? Ah, mein Freund kommt aus dem Badezimmer!«
Die Beziehung ist nicht wirklich schlecht geworden, aber beide vermissen irgendetwas, wobei sie nicht genau sagen können, woran das liegt. Immer häufiger kommt es vor, dass beide völlig unterschiedlicher Meinung sind und die Meinung des anderen nicht mehr so rückhaltlos akzeptiert wird, wie das anfangs noch der Fall war. Manchmal entzündet sich eine Meinungsverschiedenheit an Nebensächlichkeiten, wie zum Beispiel an ihren unterschiedlichen Reaktionen auf ein Zitat von Samuel Beckett, das Peter in einem dieser Werbeblättchen entdeckt hat, die er sonntags gern durchblättert. Darin steht zu lesen, dass der berühmte irische Dichter einst gesagt haben soll: »Wenn Frauen nicht mehr wissen, was sie tun sollen,
dann ziehen sie sich aus, und das ist wahrscheinlich das Beste, was Frauen tun können.«
Peter muss seine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht laut loszulachen, ein Schmunzeln jedoch kann er nicht ganz verbergen, was ihn verrät.
So ergeht es vielen Männern, die im Moment eines humoristischen Ausbruchs bemerken, dass der für sie durchaus witzige Aspekt für die Frau an ihrer Seite leider gar nicht witzig erscheint. Der Mann versucht dann krampfhaft, die ausbrechende Heiterkeit zu unterdrücken.
Die Frau, aufmerksam seine Mimik verfolgend, sieht meist, wie sich seine Kiefermuskeln in dem vergeblichen Versuch verkrampfen, einen neutralen Gesichtsausdruck zu simulieren. Die Lippen aufeinandergepresst, schieben sich seine Augenbrauen in der Nähe der Nasenwurzel steil nach
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