Freak Like Me (German Edition)
schüchtern.
Den ganzen Tag hatte ich gaffende Blicke ertragen müssen. Zum Glück endete der erste Schultag bereits um eins, sodass ich nach Hause konnte. Bisher war ich Rapunzel nämlich gekonnt ausgewichen und auch sonst hatte keiner sich weiter mit mir befasst. Natürlich gab es erstes Geflüster, doch noch hielt es sich in Grenzen. Morgen würde der Horror werden, dessen war ich mir sicher. Auch wenn ich Gwen an meiner Seite hatte, würde ich am folgenden Tag der gesamten Schülerschaft ausgesetzt sein. Sie würden mich angaffen wie ein Zootier.
Ich hob die Hand zum Abschied und winkte Gwen zu, die mit ihrem gelb gestreiften Fahrrad davon fuhr. Ich hatte den Weg noch im Kopf, also beschloss ich möglichst schnell nach Hause zu kommen, denn ich wusste nicht, welchen Weg Rapunzel nach Hause nahm. Einer Konfrontation wollte ich ehrlich gesagt aus dem Weg gehen. Es klang feige, das war mir bewusst. Und das war ich zu diesem Zeitpunkt auch. Meine Mutter würde es wahrscheinlich nicht gutheißen, mich zwei Tage nach der Ankunft im Krankenhaus besuchen zu müssen. So schlenderte ich über die abgenutzten Bordsteine und betrachtete die einzelnen Löwenzähne, die sich der Sonne entgegen reckten. Mir war ziemlich heiß und ich ärgerte mich, dass ich nichts Kürzeres angezogen hatte.
Und dann hörte ich es. Während ich in Gedanken versunken war, näherte sich dieses unheilvolle Geräusch von Rollen auf dem Asphalt. In dem Moment, wo ich aufblickte wusste ich, dass es die Disneyland-Gang war. Langsam rollten sie neben mir her, lachten sich gegenseitig an. Ich versuchte sie zu ignorieren, bis plötzlich ein großer Schatten neben mir auftauchte und mir das Sonnenlicht stahl. Es gab bestimmt nur eine Person in dieser Stadt, die so gewaltig war. Und mit eben jener hatte ich mich heute angelegt.
„Hallo Ann“, sagte die vertraute Stimme von Rapunzel bedrohlich. Er hielt an, nahm sein Skateboard und lief neben mir her.
Ganz ruhig. Es ist bloß eine dumme Ausgabe von Rapunzel.
Doch diese dumme Ausgabe von Rapunzel stand auf einmal vor mir und blickte auf mich hinab.
„Willst du mich nicht begrüßen?“, fragte er vorsichtig nach, machte einen Schritt auf mich zu.
Keine Angst zeigen. Dann weiß er, dass er gewonnen hat,
redete ich mir selber ein.
„Sollte ich dich begrüßen wollen?“, fragte ich monoton nach, versteckte meine zitternden Hände in meiner Hosentasche.
„Nein, aber du solltest Angst haben“, flüsterte er. Die Drohung entging mir nicht.
„Vor einer Disney-Figur, die in einem Turm eingesperrt ist und zu dumm ist auszubrechen, habe ich keine Angst“, erklärte ich schulterzuckend. Da dachte ich, dass mein letztes Stündlein geschlagen hatte. Er holte aus - und klopfte mir lachend auf die Schulter.
„Ich mag dich, Kleine! Du hast Mumm. Das gefällt mir!“, grunzte er amüsiert. Und nicht nur ich war verdutzt über seine herzliche Art. Auch auf den Gesichtern der anderen Typen lag ein Ausdruck von Verwunderung.
„Was?!“, kam es verdattert von Jason und mir gleichzeitig. Am liebsten hätte ich mir auf die Zunge gebissen. Dieser schleimige Froschkönig sollte sich verurinieren!
„Komm schon Jay. So schlimm ist dieses kleine, bunte Vögelchen nicht“, sagte der böse Schläger mit einem amüsierten Lächeln.
„Jay?“ Ich kannte keinen Jay.
„Ist sein Spitzname“, wandte sich Rapunzel, auch Mike genannt, wie ich mich erinnerte, an mich. Ich nickte kaum merklich, betrachtete das genervte Gesicht von dem Jungen mit den schwarzen Haaren, die im Sonnenlicht leicht schimmerten.
„Können wir?“, kam es von dem Rotkäppchen, das das Schauspiel interessiert betrachtete hatte.
„Man sieht sich Ann“, verabschiedete sich der große Blonde und machte sich mit dem Skateboard davon. Dicht gefolgt von den anderen drei Jungs. Doch der Blick von Jason entging mir nicht. Er musterte mich, wartete auf eine Reaktion, die ich nicht gab. Stattdessen starrte ich zurück, bis er sich abwandte und mit seinem Board davon raste. Die Verwunderung war jedem anzusehen gewesen. Es war also nicht normal, dass Rapunzel alias Mike jemanden mochte. Gut für mich. Das hieß, ich würde nicht im Krankenhaus landen. Doch gerade Jason schien das Ganze nicht so gut zu gefallen. Das hatte ich in seinen eiskristallblauen Augen gesehen.
Das Rumpelstilzchen, das mein Geheimnis kennt…
Der zweite Schultag begann zu meinem Glück ziemlich gut. Ich hatte Gwen auf dem Weg zur Schule getroffen, sodass wir zusammen zur
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