Freak Like Me (German Edition)
färbte. In New York war mir nie aufgefallen, wie schön so ein Sonnenaufgang sein konnte. Die Sterne schimmerten noch am Horizont, während die große Wiese, auf der ich mich befand, langsam erkennbar wurde. Die Stille und Abgeschiedenheit war mir sehr willkommen gewesen, sodass ich beschlossen hatte, mich hier hin zu legen. Die Straßen wurden nicht befahren und auch sonst war keine Person in Sichtweite. Ich brauchte Abstand, um nachdenken zu können. Die Wörter, die er benutzt hatte, waren wie ein Messerstich gewesen. Unerwartet und Schmerzhaft.
Doch er hatte keine Ahnung, was es hieß, zu den professionellen Cheerleadern zu gehören. Das wusste keiner hier. Niemand konnte erahnen, wie es sich anfühlte, perfekt zu sein. Oder für perfekt gehalten zu werden. Es war schön, beliebt zu sein, zu den angesehensten Personen der Schule zu gehören, so lange man alles richtig machte. Aber man gehörte nur so lange dazu, wie man perfekt war. Der kleinste Ausrutscher reichte und man war raus. Egal wie gut man war.
„Ich bin besser, als die es je sein werden“, sagte ich zu mir selber und wusste, dass ich Recht hatte. Ich war, wie Rumpelstilzchen herausgefunden hatte, die Beste. Allerdings war ich nicht mehr die Ann, die Leaderin gewesen war. Ich war Ann Clancy, der Physik-Freak. Durchgeknallt und schüchtern. Das ich nicht lachte! Ich und schüchtern. Soweit würde es nach meiner Cheerleader-Laufbahn noch kommen! Nie würde mich jemand als schüchtern oder ängstlich bezeichnen. Neben dem leichten Wind, der über die Wiese zog, ertönte das Geräusch von einem Skateboard, das sich auf dem brüchigen Asphalt der Straße fortbewegte. Zuerst registrierte ich es nicht, bis das Geräusch erstarb und Schritte auf dem Rasen zu vernehmen waren.
„Hat man selbst am Ende der Welt nicht seine Ruhe?“, murmelte ich, als ich den Froschkönig erblickte. Lässig trug er mit einem Arm sein Skateboard und schaute auf mich herab. Doch ich ignorierte dieses stinkende Reptil, beobachtete weiter den Sonnenaufgang.
„Was willst du?“, fragte ich ihn schließlich.
„Kommst du bitte nach Hause?“
„Wieso sollte ich? Damit du mich im Schlaf erdolchen kannst?“, redete ich eher mit mir selber und erhob mich langsam, würdigte Jason jedoch keinen Blickes.
„Weil deine Mutter mich sonst umbringt“, seufzte er.
„Das ist Pech für dich und Glück für mich“, zischte ich, als ich an ihm vorbei lief. Diesen Kerl konnte ich derzeit nicht riechen. Reden wollte ich mit ihm schon gar nicht nach dieser Aktion. Eigentlich dachte ich, dass meine Worte genügen würden, um ihn los zu werden. Stattdessen hörte ich, wie er sich nach einem kurzen Moment des Zögerns auf den Weg machte, mir zu folgen. Keine zehn Sekunden später hatte er mich eingeholt und lief mit seinem Skateboard unterm Arm neben mir her.
„Hast du ein Klettensyndrom oder klebt mir ein Schild mit der Aufschrift 'kostenlos Ficken' am Arsch?“, zickte ich Jason an, der stumm neben mir herlief.
„Nein, ich will einfach nicht, dass deine Mutter wieder vor Sorge stirbt“, ertönte es freundlich von ihm, doch ich hörte den unterdrückten Ärger in seiner Stimme.
„Keine Angst, ich kann auf mich selber aufpassen. Ich brauche keinen Chihuahua im Frosch-Kostüm“, erwiderte ich stur und starrte auf die Straße vor mir.
„Es tut mir Leid! Was auch immer ich gesagt habe, dass dich so verletzt hat. Es. Tut. Mir. Leid.“ Er blieb stehen, warf seine Arme in die Luft und betonte jedes Wort. Aufgebracht wirbelte ich herum.
„Keine Angst,
du
bist der letzte Mensch auf Erden, der mich verletzen kann.“
„Natürlich. Deswegen hast du mir auch eine Ohrfeige verpasst.“
„Dein Aftershave hat mich aggressiv gemacht“, erfand ich eine billige Ausrede. Ein schelmisches Grinsen stahl sich auf sein Gesicht, ließ mich erneut Böses erahnen.
„Ich stehe auf wilde Mädels“, sagte er mit einem Zwinkern und kam auf mich zugeschlendert.
„Oh Gott, hab doch Erbarmen mit mir“, murmelte ich, verdrehte die Augen und wendete Jason den Rücken zu.
„Wo willst du denn hin?“, rief er mir hinter her, als ich mich in Bewegung setzte.
„Weg von dir und raus aus diesem Kaff!“, brüllte ich zurück und wanderte weiter.
„Entweder du bleibst stehen und kommst freiwillig mit zurück, oder ich muss dich dazu zwingen“, hörte ich ihn antworten.
„Bin gespannt, wie du das anstellen willst. Schließlich müsstest du mich dafür erstmal in die Finger bekommen“, sagte ich
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