Freak Like Me (German Edition)
die Stärkere von uns beiden. Nur auf eine andere Art und Weise“, erklärte ich, hauchte ihr ein Kuss auf die Wange. Ein zartes Lächeln umspielte einen kurzen Moment ihre Lippen, verschwand jedoch gleich wieder. Ich konnte erahnen, was geschehen war.
„Dad hat angerufen, oder?“, fragte ich nach, erkannte in ihren Augen, dass ich Recht hatte. Ich wendete den Blick ab und starrte auf die dunklen Schatten vor mir. Wollte ich wissen, was er wollte? Nein, doch ich wusste, dass ich ihm irgendwann gegenüber treten musste. Das würde passieren und das würde ich nicht verhindern können. Ich biss mir auf meine trockene Lippe und unterdrückte den aufkommenden Drang nachzufragen, was er gesagt hatte. Denn vielleicht, aber auch nur vielleicht war ich diesmal im Vordergrund und nicht meine Vergangenheit.
„Er möchte dich sehen und dich ein paar Leuten vorstellen“, beantwortete meine Mutter mir das, was mir auf der Seele lag. Ein bitteres Lächeln kroch über meine Lippen und ein spöttischer Laut entfuhr mir.
„Natürlich. Ein paar Leuten vorstellen. Als hätte er je etwas anderes gewollt“, murmelte ich, versuchte die Enttäuschung zu unterdrücken.
„Es tut mir Leid“, flüsterte meine Mutter und als ich mich ihr zuwandte, sah ich die wässrigen Augen.
„Es ist und war nie deine Schuld“, besänftigte ich sie und zog die Künstlerin in eine feste Umarmung. Sie presste mich an sich, drückte mir einen Kuss auf das rote Haar. Ich zog den vertrauten Geruch von Farbe ein. Manchmal wünschte ich mir, dass meine Mutter meinen Vater früher verlassen hätte. Vor meinem großen Absturz. Vor dem einen Tag, der mich verändert hatte.
„Ich wollte noch streichen. Möchtest du mitmachen?“, fragte sie in die Stille hinein. Langsam löste ich mich von ihr, schaute in die grünen Augen, in denen noch eine Spur von Trauer zu erkennen war.
„Nein. Ich gehe lieber noch ein Stück spazieren“, erklärte ich, was sie mit einem Nicken zur Kenntnis nahm. Das war eine der Eigenschaften, die ich an meiner Mutter liebte. Ich brauchte ihr nichts erklären. Sie verstand mich auch ohne Worte und sie wusste genau, dass der Anruf meines Vaters mich genau wie sie aus der Bahn geworfen hatte.
Ich saß auf der heruntergekommenen Schaukel und starrte auf die ausgetrocknete Erde, die schon einzelne Risse aufwies. Der Lack der Spielgeräte auf dem Spielplatz blätterte ab, sodass ein heruntergekommener Eindruck entstand. Unkraut wucherte, wo es wollte und niemand hielt es davon ab. Dabei war es doch ganz einfach zu beseitigen. Doch keiner tat es, und so blieb dieser Spielplatz ungenutzt und verrottete.
Während ich den Boden betrachtete, bemerkte ich Füße, die sich auf mich zu bewegten. Die Person setzte sich auf die freie Schaukel neben mir. Ich blickte langsam auf, erkannte die schmale Statur und die leicht schief sitzende Brille von Rumpelstilzchen. Er beachtete mich nicht, sondern blickte auf ein kleines, etwas älteres Haus auf der anderen Straßenseite.
„Ich wohne da drüben mit meinen Eltern und meinen beiden kleinen Geschwistern“, erzählte er.
„Ich weiß, es ist nicht besonders schön“, fügte er mit einem schüchternen Lächeln hinzu. Wortlos nahm ich seine Aussage zur Kenntnis, schaute ihn jedoch weiterhin an. Einen Moment schwiegen wir, nahmen die Umgebung wahr.
„Wieso hast du gesagt, dass dein Schwerpunkt Naturwissenschaften waren?“, kam er zum Punkt, ganz so wie ich es erwartet hatte. Ein Grinsen huschte über mein Gesicht.
„Was hätte ich sonst tun sollen?“
„Du hättest den Handstand vorführen können. Ich war wirklich beeindruckt, dass du den schlechter hinbekommen hast als Chloe“, wandte er sich grinsend an mich.
„Hätte ich. Aber dann hätte wahrscheinlich jemand Verdacht geschöpft“, erläuterte ich ihm mein komisches Verhalten.
„Meinst du mit diesem Jemand Jay?“
„Unter anderem“, gab ich zu.
„Er hat mich schon ausgefragt.“ Ich blickte Rumpelstilzchen erwartungsvoll an, war darauf vorbereitet, dass er alles erzählt hatte.
„Keine Angst. Ich habe nichts gesagt“, beruhigte er mich, woraufhin ich erleichtert ausatmete.
„Sag mal, wie hast du eigentlich herausgefunden, wer ich bin? Ich meine, ich habe doch sogar einen anderen Nachnamen.“ Fragend hob ich meine Augenbrauen.
„Ich bin Informatiker und ich habe eine Menge Zeit gehabt“, antwortete er mit einem stolzen Lächeln, welches ich leicht erwiderte.
„Sag mal, Ann. Wieso lässt du das mit dir
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