Freak Like Me (German Edition)
zu spielen. Sie kommen mit ihren Cheerleadern und ich wurde gefragt, ob ich unsere trainiere.“ Ich sah, wie ihr anklagender Gesichtsausdruck verschwand und purer Schreck an dessen Stelle trat. Eigentlich wollte ich weiter erzählen, doch leise Tränen kullerten meine geröteten Wangen herunter. Meine Mutter kam auf mich zu, setzte sich neben mich und zog mich in ihre schützenden Arme. Ich schlang meine Arme um ihre dünne Taille und versuchte, mich zu beruhigen. Die Tränen hatten sie nicht verdient. Keiner in der Schule hatte meine Trauer, meine Wut verdient. Trotzdem nahm es mich mit, dass sie wieder da sein würden, dass sie nicht endgültig aus meinem Leben verschwunden waren. Aber ich wollte es nicht. Wollte nicht um Vergangenes weinen, in Selbstmitleid baden. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung, versuchte den beschleunigten Puls unter Kontrolle zu bekommen. Nach ein paar Minuten hatte ich es geschafft. Das salzige Wasser, das aus meinen Augen geflossen war, war versiegt und ich konnte ruhig atmen. Nur meine feuchten Wangen und die geröteten Augen zeugten von der tiefen Traurigkeit und dem Schock, den ich erlitten hatte.
„Ich habe es ihm erzählt. Alles“, sagte ich mit einem vielsagenden Blick zu meiner Mutter.
„Was hat er gesagt?“, fragte sie nach. Ich drehte mich um, suchte nach Jason, doch er hatte das Zimmer scheinbar verlassen.
„Wo..?“
„Er ist mit seinem Vater unsere Möbel nach oben tragen. Ich habe ihn drum gebeten“, erklärte sie, doch ich wusste, dass der Umzug nun zweitrangig war.
„Er hat sich entschuldigt.“
„Entschuldigt?“, wiederholte meine Mutter verwirrt, was ich ihr nicht verübeln konnte. Mir war es immerhin genauso ergangen.
„Er hat ein paar Mal was gesagt, was mich dazu gebracht hat, auszuticken“, flüsterte ich kleinlaut.
„Was hast du gemacht, Ann Clancy?“ Dieser Klang war deutlich. Er warnte mich davor, etwas Falsches zu sagen. Meine Mutter war ziemlich streng, wenn es darum ging, die Wut an anderen auszulassen. Ihrer Meinung nach sollte man seine Gefühle lieber in der produktiven Kunst äußern. So was konnte natürlich nur von einer Künstlerin kommen. Seit meiner Turnhallen-Cheerleader-Freak-Nacht hasste sie Menschen, die sich an anderen abreagierten. Wenn ich Mutter wäre und meine Tochter für etwas, an dem sie keine Schuld hatte, bestraft werden würde, würde ich wahrscheinlich genauso denken und handeln.
„Ich habe vielleicht mal seine Wange etwas doller gestreichelt als üblich und ihm eine Kartoffelbreikur für die Haare verpasst“, sagte ich schuldbewusst mit gesenktem Blick.
„Das hast du nett umschrieben“, seufzte die Erwachsene vor mir und ich spürte diesen anklagenden Blick regelrecht.
„Seine Haare haben nicht mehr so schön geglänzt und ich habe mal gelesen, dass Kartoffelbrei dagegen helfen soll“, versuchte ich verzweifelt die Situation zu retten, doch als ich aufschaute und diese Augen sah, die zu kleinen Schlitzen gekniffen waren wie bei Japanern oder Chinesen, wusste ich, dass ich verloren hatte.
„Du wirst dich bei ihm entschuldigen“, wies sie mich mit bohrenden Augen an. Ich nickte zaghaft und wusste, dass sie sauer war. Dabei konnte meine Mutter mir meist nicht böse sein. Dauernd machte sie sich Vorwürfe und so riss es mich immer aus der Bahn, wenn sie böse war. Ich konnte damit einfach nicht umgehen, weil ich mich damit nie richtig auseinandersetzen musste.
„Was ist jetzt genau mit der Saint Anthony’s High School?“, fuhr die leicht erzürnte Künstlerin fort.
„Sie kommen im März, wenn ich Jason richtig verstanden habe. Und ich soll unsere Cheerleader trainieren, damit sie nicht ganz dämlich aussehen, wenn sie gegen die Saint Anthony’s verlieren“, erklärte ich.
„Wirst du sie trainieren?“
„Nein“, antwortete ich knapp, hielt dem Blick meiner Mutter noch stand.
„Was willst du dann machen, wenn sie kommen?“ Ihre Stimme war sanft und doch drängend. Sie wartete darauf, dass ich etwas tat, was ich nicht tun konnte, dass ich einen Entschluss fasste, den ich nie fassen würde.
„Mich unter meinem Bett verstecken und das Gerücht verbreiten, dass ich in Australien bin.“ Als ich das sagte, senkte ich meinen Blick. Dieses Mitgefühl konnte ich nicht ertragen. Meine Mutter hielt viel von mir, fand es gut, dass ich mein eigenes Ding durchzog, doch dass ich mich nicht wehrte, fand sie schade. Ihre zarte Hand strich mir eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Bist du sicher,
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