Freakshow
regelmäßigen Wachtrunden, und plötzlich kommt aus dem Nichts heraus mein Hund angerannt. Es ist ein Wunder!< Ich hatte die Klauen des Brecheisens noch nicht ganz in den Spalt zwischen Käfigtür und Rahmen getrieben, eigentlich gerade erst angesetzt, als mich ein Blitz zusammenzucken ließ, begleitet vom knirpsenden Geräusch eines kleinen Kameraverschlusses und gefolgt vom Aufflackern der Deckenbeleuchtung.
Frau Spirititolu. In Badeschlappen und einem scheußlich gemusterten Frottee-Morgenmantel, ihr Haar so fettig wie wirr.
Ich war dermaßen baff, dass ich die kleine Kröte fragen wollte, was sie um diese Uhrzeit im Keller zu suchen hatte, doch sie kam mir zuvor.
»Ich hole meinen Hund hier raus«, fuhr ich sie an, »bevor Sie ihn endgültig zum Junkie gemacht haben.«
»Wetten, dass nicht?« Sie grinste und blendete mich mit einem weiteren Fotoblitz. »Nicht ohne zu bezahlen. Nicht mit mir, Freundchen.«
Ich war so nahe dran gewesen, alles perfekt geplant, und jetzt kam diese quaddelige Bratze daher und versaute alles. Einen Moment lang schwankte ich unentschieden zwischen drohen, bitten und zuschlagen. Mit typisch weiblicher Perfidie spürte sie meine Unsicherheit und trat ganz nahe an mich heran. »Nicht ohne zu bezahlen, großer Mann«, gurrte sie und warf sich in eine neckische Pose. »Doch tanz mit mir den Alunelul, und vielleicht…«
Sie nahm die Hände hoch, schnackte mit den Fingern und machte ein, zwei nicht wirklich sichere Tanzschritte. Sie hatte den Arsch voll, ging mir auf. Gleichzeitig setzte sie mit gehobenen Armen eine solche Wolke sexueller Botenstoffe frei, dass es einige der Tiere in ihren Käfigen glatt aus dem Schlaf riss. Ein Hund begann zu jaulen, andere stimmten ein. »Tanz mit mir, großer Mann, und vielleicht - nur vielleicht - zeige ich diese Fotos nicht der Polizei.« Sie wedelte ihr Handy hin und her, und ich griff danach, doch, besoffen oder nicht, sie war schneller und schob es in die Front ihres beigen, an Reizwäsche aus dem Sanitätshaus erinnernden Slips. Dann riss sie ihren Morgenmantel auf, sprang mich an und schlang mir ihre Arme um den Hals.
»Komm, tanz mit mir.« Ihr Atem roch wie ein zündfähiges Gemisch aus Brennspiritus und irgendeiner Reinigungschemikalie. Sagrotan, etwa. Ich meinte, es hören zu können, wie sie die Schenkel auseinander nahm.
»Oder möchtest du ins Gefängnis, großer Mann?« Schweren Herzens fügte ich mich ins Unvermeidliche und erlebte eine der stürmischsten Nächte meines Lebens. Keine zwei Monate später waren wir verheiratet und setzten noch sieben Kinder in die Welt. Nein, Scherz, natürlich.
Ich stieß sie von mir, und ihre dunklen Augen blitzten hasserfüllt, bevor sie ansatzlos und gellend um Hilfe schrie, begleitet von viel hysterischem Gekläffe aus den Boxen.
Die unterbelichtete Dogsitterin kam hereingestolpert und nahm die Szene in Augenschein. Die Szene mit dem Eindringling mit dem Brecheisen in der Hand und ihrer Chefin mit den aus ihrer Morgenmantelfront baumelnden Brüsten. »Ich hab die Polizei schon angerufen«, sagte sie.
»Er hat versucht, er hat versucht …«, stammelte Frau Spirititolu schluchzend und brachte mich gefährlich nahe daran, ihr das Brecheisen doch noch über den öligen Scheitel zu ziehen, und scheiß auf die Zeugin. Stattdessen fuhr ich herum und machte da weiter, wo ich vorhin unterbrochen worden war. Und obwohl sich der Holzrahmen ohne weiteres abhebeln ließ, war das Schloss dahinter mit dem Stahlrahmen der Gitterfront verbolzt und leistete erstaunlichen Widerstand. Dass beide Frauen nun anfingen, an mir herumzuzerren, half auch nicht gerade, und dann hörte ich durch das offene Kellerfenster eine Sirene heranjaulen, verlor die Nerven, schob die beiden Weiber rüde beiseite und machte, dass ich da rauskam. Treppe hoch, durch den Empfang, durch die Fronttür und weg, nur noch weg. Zu spät. Das zur Sirene gehörende Blaulicht war schon in Sicht, kam in hohem Tempo auf mich zu, also warf ich mich bei dem Autohandel nebenan zwischen die Gebrauchtwagen, und ein Krankenwagen jaulte vorbei. Verdammt. Sofort war ich wieder auf den Beinen, machte kehrt, doch mittlerweile war natürlich die Fronttür zur Klinik wieder ins Schloss gefallen. Ich rappelte vergeblich daran, und dann sah ich sie. Frau Spirititolu. Mit Struppi auf dem Arm. Sie grinste selbstgefällig, zeigte auf die Wanduhr und fuhr meinem Hund dann einmal langsam und genüsslich mit dem Daumennagel über die Kehle.
In der Ferne schwoll
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