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Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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schön. Wo kämen wir hin ohne all diese Regularien? Ich wälzte mich über eine Hecke, duckte mich unter die Äste eines Obstbaums, zog die Drahtzange aus der Zollstocktasche meines Overalls und begann sofort, mich durch den Maschendrahtzaun der Klinik zu kneifen. Keine zwei Minuten, und ich war hindurch. Ein paar Bänke, etwas Rasen, und in der Mitte ein in mehreren Sprachen als Hundeklo ausgewiesener Sandkasten warteten auf die Patienten des Tages. Auf der Straßenseite hatte ich Licht in einem Fenster gesehen, vermutlich die Nachtwache, doch hier hinten war alles dunkel. Ruhigen Schrittes näherte ich mich dem Gebäude. Es war ein moderner Zweckbau, mit doppelverglasten Fenstern und Türen. Wärmedämmend, schallhemmend, einbruchssicher, Letzteres mit dem relativierenden Zusatz >ziemlich<. Denn es gibt immer, immer, immer einen Weg hinein.
    Ganz in der Nähe ratterte eine S-Bahn vorbei und warf einen flüchtigen Lärmschatten über die Umgebung. Mein Brecheisen glitt wie von allein aus dem Ärmel. Doch ich entschied mich anders, ging rüber zur Hintertür und presste mich seitlich vom Windfang platt an die Wand. Grillen durchzirpten die Sommernacht, hell schien der Mond, kein Windhauch regte sich. Es gab somit keinen Grund, wenn man sich schon ein Päuschen von der Nachtwache gönnte, nicht ein paar Schritte durch den Mondschein zu spazieren, zu einer der Bänke etwa. Und die Tür zu schließen wäre unnötig, man hatte sie ja die ganze Zeit im Auge. Bis auf die winzige Spanne, die es dauert, die paar Schritte bis zur Bank zu machen. Es braucht Nerven, so etwas zu wagen. Gleichzeitig bedeutet das Betreten eines Hauses durch eine offen gelassene Tür anstelle des Reinkletterns durch ein aufgestemmtes Fenster den feinen Unterschied zwischen unerlaubtem und gewaltsamem Eindringen, zwischen Vergehen und Verbrechen.
    Ich wartete. Mein Adrenalin-Pegel sank. Ich wartete noch ein bisschen. Meine Lider wurden schwer und schwerer. Irgendwann würde die verdammte Nachtwache rauskommen, ich war mir sicher, bloß wann? Mir blieb nichts, als zu warten. Zu warten und mich wach zu halten, was schwierig wurde, und immer schwieriger. Stehend, gähnend, an die Wand gelehnt, schloss ich für eine Sekunde die Augen, es ging nicht anders. Johanna wollte mir etwas ins Ohr flüstern, etwas Dringendes, etwas Wichtiges, doch der verdammte Fluss hatte meine Füße gepackt und zog und zog mich immer weiter weg von ihr.
    Ein Schloss klickte metallisch, und ich fuhr zusammen. Die Gummidichtung schliff sandig über den Boden, als die Hintertür der Klinik nach innen aufschwang. Eine kurz geratene Blondgefärbte mit schwarzem Scheitel und einer, wie ich wusste, Stimme wie ein Trennschleifer kam heraus, hustete, spuckte, sah missmutig hoch in den Nachthimmel und klopfte die Taschen ihres weißen Kittels ab.
    Ich hörte noch, aber sah es nicht mehr, wie sie ihr Feuerzeug anritschte. Nichtraucherschutzgesetz. Wo kämen wir hin ohne all diese Regularien? Wirklich, wo kämen wir hin.
    Die Boxen mit den Geiseln befanden sich im Keller. Die Tür zum Abgang war nicht verschlossen, also schlüpfte ich hindurch, tastete mich auf Zehenspitzen hinunter, durch eine weitere Tür und hinein in den aus verschiedenen Ausdünstungen kranker Tiere gemixten, warmen Mief.
    Ich war drin. Drin! Die Adrenalindrüse produzierte wieder, während ich in der schwachen Notbeleuchtung fiebrig nach meinem Hund suchte. Eigentlich hatte ich beim Betreten eine Mordsrandale erwartet, wie im Zwingerteil eines Tierheims, doch alles blieb erstaunlich ruhig. Selbst Struppi gähnte mich nur an und bekam nicht viel mehr als ein halbherziges Wedeln seines Stummelschwanzes zustande.
    Sediert. Sediert bis in die Ohrenspitzen. Groll brodelte in mir hoch, bis ich mich erinnerte, wie viele Jahre ich mich selbst und höchst freiwillig in einem ähnlichen Zustand gehalten hatte. Also vergaß ich den Groll und konzentrierte mich wieder auf mein Vorhaben, packte den Türgriff von Struppis Box, doch die Tür war fest verschlossen und kein Schlüssel weit und breit. Sediert und eingelocht, mein Hund. Na, nicht mehr lange, soviel war sicher. Struppi setzte sich auf die Hinterbeine und sah mich müde, aber vertrauensvoll an, ganz so, als ob er die ganze Zeit schon gewusst hätte, dass ich ihn im Schutz der Nacht rausholen würde. Mein rechter Arm streckte sich ruckartig, und kühl und hart glitt das Brecheisen in meine wartende Hand.
    >Tja, Herr Kommissar. Ich drehe also wie jede Nacht meine

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